„Kreislaufwirtschaft fängt schon bei der Produktgestaltung an“

Am Rande der Landesfachgruppentagung konnten wir mit VKU-Hauptgeschäftsführer Ingbert Liebing sprechen. Darin ging es um besondere Herausforderungen auch für die Abfallwirtschaft in der Pandemie, um einen thematischen Ausblick für die Abfallsparte mit Blick auf den Antritt der neuen Bundesregierung - und er hat uns verraten, welche Themen ihm persönlich besonders am Herzen liegen.

Interview mit VKU-Hauptgeschäftsführer Ingbert Liebing

Am Rande der Landesgruppenfachtagung in NRW konnten wir mit VKU-Hauptgeschäftsführer Ingbert Liebing sprechen. Darin ging es um besondere Herausforderungen auch für die Abfallwirtschaft in der Pandemie, um einen thematischen Ausblick für die Abfallsparte mit Blick auf den Antritt der neuen Bundesregierung - und er hat uns verraten, welche Themen ihm persönlich besonders am Herzen liegen.

Herr, Liebing, Sie waren im Lauf des Jahres auf drei verschiedenen Tagungen der Abfallsparte des VKU: In Landau, in Erfurt und nun hier in Paderborn. Wie sieht aus Ihrer Sicht die Bilanz für die Abfallwirtschaft in diesem Jahr aus und was sind die kommenden Themen?

Ingbert Liebing: Der erste prägende Eindruck der Veranstaltungen ist: Die Teilnehmenden waren richtig durstig nach Begegnungen und haben nach Monaten der Pandemie genossen, wieder persönlich zusammenzukommen. Ich hoffe, dass das im nächsten Jahr auch Standard bleibt.

Der zweite prägende Eindruck ist, wie sinnvoll es ist, bei diesen Fachtagungen zusammenzukommen, auch mit den Geschäftspartnern aus der privaten Wirtschaft: Die Ausstellerinnen und Aussteller, die diese Veranstaltung mittragen, führen zu einem intensiven Austausch über alle fachlichen Themen, nicht nur innerhalb der Kommunalwirtschaft, sondern auch mit den privaten Wirtschaftspartnern. Das ist ein sehr gutes und sehr sinnvolles Konzept. Ich habe das als sehr erfolgreich bei diesen drei Tagungen erlebt.

Wie wichtig sind aus Ihrer Sicht Präsenztreffen?

Ingbert Liebing: Funktional geht der Austausch mit digitalen Instrumenten, mit Webkonferenzen sehr gut, das haben wir in der Pandemie gelernt, wir waren flexibel genug. Aber jetzt, da wir wieder zusammenkommen, lernen wir auch wieder den Wert von persönlichen Begegnungen zu schätzen, und man merkt, dass da doch ein anderer Funke überspringt. Funktional geht digital sehr viel, aber dabei bleiben emotionale Bindungen und soziale Kontakte doch ein Stück auf der Strecke. Deswegen ist es gut, dass wir nun auch ganz real zusammenkommen können.

Wie sieht Ihr Ausblick für das kommende Jahr aus?

Ingbert Liebing: Im Moment schauen wir mit großem Interesse auf die Koalitionsverhandlungen der „Ampel“. Wir gehen davon aus, dass bis Weihnachten der Koalitionsvertrag zu einer neuen Bundesregierung geführt haben wird, mit der Folge, dass wir uns im Jahr 2022 vor allem mit der Umsetzung des Koalitionsvertrags befassen werden. Insofern werden wir den Koalitionsvertrag intensiv auswerten und daraus unsere Initiativen ableiten, das wird sicherlich im Mittelpunkt des Jahres 2022 stehen.

Ein wichtiges Thema für die Abfallwirtschaft wird die Frage sein, ob die Verbrennung von Siedlungsabfällen und die Energiegewinnung aus der Verbrennung von Abfällen mit der CO2-Bepreisung belegt wird. Das Bundesumweltministerium möchte das gerne, und auf europäischer Ebene wird die gleiche Diskussion geführt. Dort ist allerdings klar, dass es eine solche Einbeziehung nicht gibt. Das ist auch genau richtig und sinnvoll, weil es sich nicht primär um Brennstoffe handelt, sondern um die Entsorgung von Abfällen – die als ein sinnvoller Nebeneffekt auch energetisch genutzt werden sollte. Aber deswegen passt die CO2-Bepreisung dort nicht, sie hat ja auch keine Lenkungswirkung. Dies wird sicherlich eines der Topthemen sein.

Das zweite Thema, das für uns im kommenden Jahr besonders wichtig ist, ist das Thema Littering, also die Verschmutzung im öffentlichen Raum, und in diesem Zusammenhang die Herstellerverantwortung stärker zu verankern über einen Einwegkunststofffonds, den wir propagieren. Ich glaube, dass hier das Jahr 2022 wesentliche Vorbereitungen bringen muss.

Welche Themen liegen Ihnen persönlich besonders am Herzen?

Ingbert Liebing: Gerade das Thema Littering, also die Verschmutzung des öffentlichen Raums zu bekämpfen, ist mir ein persönliches Anliegen. Denn daran hängt mehr als nur die Frage, wie werde ich den Einweg-Müll los. Darüber hinaus lösen verschmutzte Städte auch ein Unsicherheitsgefühl bei den Menschen aus, Stichwort Verwahrlosung des öffentlichen Raums. Deshalb ist Stadtreinigung auch so wichtig. Dies hat auch einen Sicherheitsaspekt für die Menschen: Eine saubere Stadt verschafft den Menschen Stabilität und Sicherheit. Hier die Hersteller stärker in die Verantwortung zu nehmen, gerade angesichts der in der Pandemie ja stark gestiegenen To-Go-Artikel, die zu mehr Müll im öffentlichen Raum geführt haben, ist besonders wichtig.

Wo muss die Politik nachsteuern, was müsste auf der Agenda stehen, was abfallwirtschaftliche Themen angeht?

Ingbert Liebing: Ein übergeordnetes Thema für die Politik, für eine neue Bundesregierung wird sein, die Idee der Kreislaufwirtschaft mehr zu stärken. Kreislaufwirtschaft heißt, dass jeder Beteiligte in einem Wirtschaftskreislauf seine Verantwortung tragen muss. Bisher ist die Verantwortung für die Kreislaufwirtschaft in erster Linie bei der Abfallwirtschaft abgeladen worden. Die muss für Recycling sorgen, aber Kreislaufwirtschaft fängt auch schon bei der Produktgestaltung an. Auch die Hersteller stehen ganz am Anfang des Produktprozesses in der Verantwortung für Produkte, die wiederverwertbar, oder reparierbar sind. Diesen Gedanken stärker zu verankern, dass alle Beteiligten in einer Wertschöpfungskette für das Funktionieren einer Kreislaufwirtschaft stehen, das ist für mich ein übergeordnetes Thema, gerade jetzt in der neuen Legislaturperiode des Deutschen Bundestags.