Bidding Zone Review: VKU warnt vor negativen Folgen bei Teilung bisher einheitlicher Stromgebotszone

Die europäischen Übertragungsnetzbetreiber (ENTSO-E) haben heute ihren Bericht (Bidding Zone Review) zur möglichen Neukonfiguration der europäischen Stromgebotszonen vorgelegt.

28.04.25

Berlin, 28.04.2025. Die europäischen Übertragungsnetzbetreiber (ENTSO-E) haben heute ihren Bericht (Bidding Zone Review) zur möglichen Neukonfiguration der europäischen Stromgebotszonen vorgelegt. Die Studie kommt zum Ergebnis, dass eine Aufteilung der einheitlichen deutsch-luxemburgischen Gebotszone in fünf deutsche Gebotszonen im Vergleich zum Status quo mit 339 Millionen Euro den höchsten Wohlfahrtsgewinn erzielen würde.

Als klare Empfehlung zur Neuordnung der einheitlichen Gebotszone kann dieses Ergebnis aus VKU-Sicht aber nicht gesehen werden. Die Studie selbst enthält den Hinweis, dass bei der Modellierung wichtige zusätzliche Aspekte nicht berücksichtigt wurden: „This result does not take important additional aspects into account and therefore should not be seen in isolation but rather in combination with certain considerations, which are key for the eventual decision by the relevant Member States on the future BZ configuration.“

Mehr Klarheit verschafft das begleitend veröffentlichte Positionspapier der vier deutschen Übertragungsnetzbetreiber. Darin heißt es: „Deutsche ÜNB sehen Ergebnisse nicht geeignet für Entscheidung über Aufteilung der Gebotszone“. Die berechneten Wohlfahrtsgewinne seien nicht aussagekräftig, heißt es in deren Begründung. Und weiter: Die Auswirkungen auf die Investitionssicherheit und lokale Kostensteigerungen würden das Ergebnis relativieren. Zudem würden die Modellergebnisse zukünftige Entwicklungen im Stromsystem beim Netzausbau und Erneuerbaren Energien nicht angemessen berücksichtigen. Die deutschen ÜNB warnen bei einer Aufteilung vor einem Verlust der Liquidität auf dem Terminmarkt und Kostensteigerungen bei Regelenergie. 

VKU-Hauptgeschäftsführer Ingbert Liebing:
„Wir begrüßen die klare ablehnende Positionierung der deutschen Übertragungsnetzbetreiber zum Vorschlag der europäischen Übertragungsnetzbetreiber (ENTSO-E).

Der VKU lehnt eine Aufteilung der einheitlichen deutsch-luxemburgischen Stromgebotszone entschieden ab. Eine Spaltung hätte schwerwiegende wirtschaftliche und energiepolitische Folgen und würde die angestrebte Energiewende gefährden. Der im Bericht unter rückwärtsgewandten und unvollständigen Kriterien berechnete Wohlfahrtsgewinn steht in keinem akzeptablen Verhältnis zu den Schäden, die entstehen würden. Wir setzen uns dafür ein, dass die Bundesregierung und die EU-Kommission alternative Lösungen finden, um die Netzstabilität zu gewährleisten, ohne die Strompreiszone zu teilen.

Ein europaweiter Strombinnenmarkt erhöht die Versorgungssicherheit in Deutschland und senkt die Gesamtkosten der Energieversorgung. Die Einheitlichkeit der Stromgebotszone ermöglicht stabile Marktbedingungen, sichert die Planbarkeit für Stadtwerke und Unternehmen und gewährleistet eine hohe Liquidität auf den Großhandelsmärkten. Zudem sorgt sie für eine gleichmäßige Verteilung von Risiken und Kosten über das gesamte Bundesgebiet.

Die aktuell diskutierte Aufspaltung der liquiden deutsch-luxemburgischen Gebotszone zur Anpassung an bestehende Netzengpässe schafft dagegen kleinere Marktfragmente mit niedrigerer Liquidität im Stromhandel und riskiert die Vorteile eines großen Marktgebiets. Die Handelskosten und der operative Mehraufwand steigen.

Eine Aufteilung würde auch bestehende Probleme, wie Netzengpässe, nicht lösen, sondern zusätzliche Herausforderungen schaffen – insbesondere durch neue Unsicherheiten für Investitionen und eine höhere Marktvolatilität. Eine Aufteilung der Preiszone schafft Gewinner und Verlierer und riskiert die Akzeptanz für die Energiewende in der Gesellschaft. Niedrigere Strompreise in den Bundesländern mit viel Windenergie stehen dann höheren Strompreisen in den industriestarken Bundesländern gegenüber. Forderungen nach Kompensationszahlungen und unnötige Verteilungsdebatten wären die Folge.

Deutschland zählt im internationalen Vergleich bereits jetzt zu den Ländern mit den höchsten Strompreisen für Verbraucher. Stromintensive Industrien würden ihren Standort daher kaum innerhalb Deutschlands verlegen. Vielmehr droht eine Abwanderung ins Ausland. Ein weiterer Anstieg infolge getrennter Preiszonen steht im Widerspruch zum politischen Ziel, die Stromkosten für alle Verbraucher deutlich zu senken.

Hinzu treten die praktischen Schwierigkeiten einer Gebotszonenaufteilung: Die Umsetzung wäre hoch komplex und würde mehrere Jahre dauern. Dabei müssten wichtige Fragen beantwortet und die Märkte grundlegend neu geordnet werden. Dies birgt erhebliche Unsicherheitsrisiken für alle Marktteilnehmer in Zeiten dringend benötigter Transformation.

Der physische Netzausbau ist die langfristig nachhaltige Lösung für strukturelle Engpässe im deutschen Stromnetz. Kurzfristige Netzengpässe können durch mehr angebots- und nachfrageseitige Flexibilitäten reduziert werden. Zudem kann eine verstärkte europäische Kooperation im Stromhandel helfen, Engpässe effizienter zu managen, ohne den deutschen Markt künstlich zu zerschneiden.

Natürlich kostet all das Geld, erhält am Ende aber einen liquiden Strommarkt, von dem alle profitieren. Mit einem guten Rahmen kann die Realwirtschaft privates Kapital für die ambitionierte Fortsetzung der Energiewende mobilisieren, parallel gute Beschäftigung aufbauen und so mehr Wertschöpfung in Deutschland organisieren.

Ziel sollte sein, die Kräfte weiter auf die Beschleunigung des Netzausbaus zu richten und die hohe Marktliquidität der einheitlichen Stromgebotszone zu erhalten. Das ist insgesamt zielführender als kurzfristige Markteingriffe von ungewissem Ausgang. Die Aufrechterhaltung einer einheitlichen Stromgebotszone bleibt aus Sicht des VKU daher die beste Lösung für eine verlässliche, bezahlbare und nachhaltige Energieversorgung in Deutschland.“

Weitere Informationen:

Bericht der Übertragungsnetzbetreiber (Biding-Zone-Review 2025)

Positionspapier der deutschen Übertragungsnetzbetreiber

VKU-Stellungnahme zum Koalitionsvertrag

Science Media Center Germany: Wird Deutschlands Strompreiszone geteilt?

Der Verband kommunaler Unternehmen e. V. (VKU) vertritt 1.592 Stadtwerke und kommunalwirtschaftliche Unternehmen in den Bereichen Energie, Wasser/Abwasser, Abfallwirtschaft sowie Telekommunikation. Mit rund 309.000 Beschäftigten wurden 2022 Umsatzerlöse von 194 Milliarden Euro erwirtschaftet und mehr als 17 Milliarden Euro investiert. Im Endkundensegment haben die VKU-Mitgliedsunternehmen signifikante Marktanteile in zentralen Ver- und Entsorgungsbereichen: Strom 66 Prozent, Gas 65 Prozent, Wärme 91 Prozent, Trinkwasser 88 Prozent, Abwasser 40 Prozent. Die kommunale Abfallwirtschaft entsorgt jeden Tag 31.500 Tonnen Abfall und hat seit 1990 rund 78 Prozent ihrer CO2-Emissionen eingespart – damit ist sie der Hidden Champion des Klimaschutzes. Immer mehr Mitgliedsunternehmen engagieren sich im Breitbandausbau: 220 Unternehmen investieren pro Jahr über 912 Millionen Euro. Künftig wollen 90 Prozent der kommunalen Unternehmen den Mobilfunkunternehmen Anschlüsse für Antennen an ihr Glasfasernetz anbieten. Zahlen Daten Fakten 2024
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