Diskussion über EU-Klimaziel: Fokus sollte zunächst auf 2030er-Ziel liegen

Der Ausstoß an Treibhausgasen soll in der EU bis 2040 drastisch sinken. Die Kommission beabsichtigt, dass die Menge an ausgestoßenen Netto-Treibhausgasen im Vergleich zu 1990 um 90 Prozent reduziert wird.

30.01.25

Brüssel/Berlin, 30.01.2025. Der Ausstoß an Treibhausgasen soll in der EU bis 2040 drastisch sinken. Die Kommission beabsichtigt, dass die Menge an ausgestoßenen Netto-Treibhausgasen im Vergleich zu 1990 um 90 Prozent reduziert wird. Laut einer Studie der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK) und des Verbandes kommunaler Unternehmen (VKU) wird das vorgeschlagene Ziel möglicherweise nicht erreicht werden können, weil es auf vielen unsicheren Annahmen beruht. Zusammen mit der Europaabgeordneten Prof. Dr. Andrea Wechsler, diskutierten Dr. Sebastian Bolay (DIHK) und Dr. Kai Roger Lobo (VKU) im Rahmen eines Frühstücks im Europäischen Parlament über die Ergebnisse der Studie, mögliche Auswirkungen des Klimaziels und Handlungsempfehlungen. 

Das vorgeschlagene Klimaziel 2040 überfordere Deutschland und Europa, so die Diskutanten. Falls die zugrundeliegenden Annahmen, zum Beispiel bezüglich Verfügbarkeit von Technologien, Fachkräften, Rohstoffen und finanziellen Mitteln für Investitionen nicht eintreten würden, drohten Überregulierung, steigende Kosten sowie politische und wirtschaftliche Verwerfungen. 

Laut Studie zeigen aktuelle Emissionsprognosen der EU-Mitgliedstaaten, dass bereits das 2030er-Ziel, welches eine CO2-Reduktion von 55 Prozent vorsieht, wahrscheinlich verfehlt werden wird. Damit gerate auch das vorgeschlagene 2040-Ziel außer Reichweite. Die Diskussionsteilnehmer plädierten für mehr Realitätssinn bei der Festlegung langfristiger Klimaziele. Der Fokus sollte in den nächsten Jahren darauf liegen, das Ziel für 2030 kosteneffizient und wirtschaftlich tragbar zu erreichen. 

Prof. Dr. Andrea Wechsler (EVP/CDU) ist an den Diskussionen und politischen Entscheidungen rund um das EU-Klimaziel beteiligt:  
„Die Erreichung des EU-Klimaziels von minus 90 Prozent bis 2040 ist eine enorme Herausforderung, die nur durch technologische Innovationen und erhebliche private Investitionen gemeistert werden kann. Wir müssen realistisch bleiben und sicherstellen, dass unsere Klimaziele wirtschaftlich tragbar sind. Es ist entscheidend, dass wir die richtigen Rahmenbedingungen schaffen, um Investitionen in grüne Technologien zu fördern. Die deutsche Wirtschaft hat bereits erhebliche Fortschritte im Klimaschutz erzielt. Dennoch müssen wir sicherstellen, dass neue Klimaziele nicht zu einer Überlastung der Unternehmen führen.“

Dr. Sebastian Bolay, Bereichsleiter Energie, Umwelt, Industrie bei der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK):
„Die deutsche Wirtschaft hat beim betrieblichen Klimaschutz viel erreicht, doch die energieintensive Industrie leidet unter kostenbedingten Produktionseinschränkungen. Neue, höhere Klimaziele verunsichern die Wirtschaft, da die 2030-Ziele schwer erreichbar scheinen. Unternehmen befürchten mehr Regulierung und steigende Energiekosten, die bereits jetzt problematisch hoch sind. Das DIHK-Energiewende-Barometer zeigt, dass die Risiken der Energiewende die Chancen deutlich überwiegen. Die Politik muss aufpassen, dass Unternehmen nicht die Zuversicht verlieren, denn ohne private Investitionen gelingt die Transformation zu einer klimaneutralen Wirtschaft nicht.“  

Dr. Kai Roger Lobo, stellvertretender Hauptgeschäftsführer und Leiter der Abt. Energiewirtschaft beim Verband kommunaler Unternehmen:
„Es ist wichtig, die Klimaziele schnell zu erreichen, aber der Weg zur Klimaneutralität kann nicht beliebig verkürzt werden. Deutschland trägt bereits überproportional zu den europäischen CO2-Minderungszielen bei. Unsere Studie zeigt, dass das vorgeschlagene Ziel extrem ambitioniert ist und auf sehr optimistischen Annahmen basiert. Wenn diese nicht eintreten, drohen wirtschaftliche Schäden und politische Verwerfungen. Schon die Klimaziele 2030 scheinen in vielen EU-Staaten, einschließlich Deutschland, kaum erreichbar. Daher wäre eine Festlegung auf minus 90 Prozent bis 2040 riskant. Der Fokus sollte auf den 2030-Zielen des EU Green Deal liegen, und eine Entscheidung über das 2040-Ziel sollte erst gegen Ende der 2020er Jahre im Lichte der tatsächlichen Fortschritte beim Klimaschutz getroffen werden.“

Hintergrund und ergänzende Informationen:
Die EU-Kommission hat vorgeschlagen, die Treibhausgasemissionen bis 2040 um 90 Prozent gegenüber 1990 zu reduzieren, als Schritt zum Netto-Null-Ziel 2050. Dafür sind mehrere Transformationen notwendig: Der Stromsektor soll 81-87 Prozent erneuerbare Energien nutzen, der Verkehr zu 75 Prozent elektrifiziert werden und der Energieverbrauch von Gebäuden um 50 Prozent sinken. Die Industrieemissionen sollen durch Wasserstoff und CCS-Technologien reduziert werden. Der Investitionsbedarf wird auf 3 bis 4,5 Billionen Euro geschätzt.

Studie (deutsch) Mögliche Auswirkungen eines EU-Klimaziels von -90% für 2040 auf Deutschland“

Zusammenfassung der Studie (deutsch)

Studie (englisch) „Potential Impact of a 2040 EU Climate Target of -90 % on Germany“

Der Verband kommunaler Unternehmen e. V. (VKU) vertritt über 1.580 Stadtwerke und kommunalwirtschaftliche Unternehmen in den Bereichen Energie, Wasser/Abwasser, Abfallwirtschaft sowie Telekommunikation. Mit rund 309.000 Beschäftigten wurden 2022 Umsatzerlöse von 194 Milliarden Euro erwirtschaftet und mehr als 17 Milliarden Euro investiert. Im Endkundensegment haben die VKU-Mitgliedsunternehmen signifikante Marktanteile in zentralen Ver- und Entsorgungsbereichen: Strom 66 Prozent, Gas 65 Prozent, Wärme 91 Prozent, Trinkwasser 88 Prozent, Abwasser 40 Prozent. Die kommunale Abfallwirtschaft entsorgt jeden Tag 31.500 Tonnen Abfall und hat seit 1990 rund 78 Prozent ihrer CO2-Emissionen eingespart – damit ist sie der Hidden Champion des Klimaschutzes. Immer mehr Mitgliedsunternehmen engagieren sich im Breitbandausbau: 220 Unternehmen investieren pro Jahr über 912 Millionen Euro. Künftig wollen 90 Prozent der kommunalen Unternehmen den Mobilfunkunternehmen Anschlüsse für Antennen an ihr Glasfasernetz anbieten. Zahlen Daten Fakten 2024
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