Berlin, 23.02.2023. Heute hat die EU-Kommission ihren Vorschlag für den Gigabit Infrastructure Act (GIA) veröffentlicht. Damit soll der Breitbandausbau für schnelles Internet beschleunigt werden. Das Ziel sei richtig, doch drei zentrale und bekannte Hindernisse räumt die EU-Kommission nicht aus dem Weg, kritisiert der Verband kommunaler Unternehmen (VKU), der mehr als 220 kommunale Unternehmen im Breitbandausbau vertritt.
Hindernis 1: Überbau bleibt erlaubt. Das konterkariert den flächendeckenden Ausbau
Hauptinstrument des GIA bleibt das sogenannte Recht auf Baustellenkoordination. Es erlaubt Telekommunikationsanbietern, ihre Breitbandkabel mit zu verlegen, sobald eine Baugrube für die Verlegung von Leitungen und Kabeln ausgehoben ist. Theoretisch sollen damit teure Tiefbaukosten gespart werden. Praktisch nutzen viele Anbieter dieses Recht allerdings aus, um mit ihre Kabel bei einer Verlegung von Glasfasernetzen durch kommunale Unternehmen mit in die Baugrube zu „werfen“.
Diese Überbau-Problematik führt für Wirtschaft und Gesellschaft dazu, dass lukrative Gebiete doppelt und dreifach ausgebaut werden, während andere Gebiete gar keinen Anschluss ans Glasfasernetz bekommen. Für den Telekommunikationsmarkt bedeutet das: Das Unternehmen, das zuerst investiert und gräbt, verliert. Das trifft viele kommunale Unternehmen. Sie zögern daher, in den weiteren Ausbau von Glasfasernetzen in bis dato nicht angeschlossene Gebiete zu investieren.
Ingbert Liebing, VKU-Chef: „Schnelles Internet ist so wichtig wie Strom und Wasser. Deswegen ist das Ziel, den Ausbau von Breitbandnetzen zu beschleunigen, richtig. Allerdings räumt die EU-Kommission wesentliche Hindernisse für den flächendeckenden Glasfaserausbau nicht aus dem Weg. Konkret wird das gut gemeinte „Recht auf Baustellenkoordination“ in der Praxis für den Überbau von Glasfasernetze ausgenutzt. Dieser Überbau konterkariert das Ziel flächendeckender Netze und ist volkswirtschaftlicher Unsinn. Um ihn zu verhindern, sollte eine Baustellenkoordination bei Bitstromzugang oder Zugang zu unbeschalteten Glasfasernetzen* nicht mehr möglich sein. Statt Wettbewerb zwischen Netzen hätten wir endlich Wettbewerb auf den Netzen, womit der Ausbau von Glasfasernetzen vorankäme. Möglich ist das schon heute: Rund 80 Prozent der kommunalen Unternehmen bieten anderen Anbietern Zugang zu ihren Glasfasernetzen oder planen dies. Entsprechend bitten wir Rat und EU-Parlament, den Vorschlag zu verbessern und eine weitere digitale Spaltung zu verhindern.“
Hindernis 2: keine Klarheit bei der Definition öffentlicher Mittel
Das Recht auf Baustellenkoordination greift weiterhin, wenn ein Unternehmen mit öffentlichen Mitteln ausbaut. Was fehlt, ist jedoch eine klare Definition öffentlicher Mittel. Das legen bisher die Mitgliedstaaten aus. Der VKU unterstützt die Regel, wenn es um Förder- und damit Steuergelder geht. Wenn der Begriff jedoch mit Blick auf Eigentümerverhältnisse ausgelegt wird, haben kommunale Unternehmen von Natur aus einen Nachteil: Wegen ihrer kommunalen Eigentümerschaft herrscht teilweise die Auffassung, dass ihre Netze überbaut werden dürfen – sogar dann, wenn sie eigenwirtschaftlich und ohne Fördermittel ausbauen. Der VKU hofft auf eine Klarstellung durch Parlament und Rat, dass allein Fördergelder, nicht aber widersinniger Weise die Eigentümerschaft der Kommunen als öffentliche Mittel gelten.
Hindernis 3: Schutz kritischer Infrastrukturen mitdenken
Glasfasernetze gehören zu den kritischen Infrastrukturen. Ihr Schutz vor Angriffen sollte aus VKU-Sicht immer Vorrang vor der Pflicht zur Veröffentlichung von Informationen haben, die für künftige Angriffe auf seine Infrastrukturen genutzt werden könnten. Nationale Unterschiede bei der Ausweisung kritischer Infrastrukturen in den Mitgliedstaaten sollten berücksichtigt werden.
Hintergrundinformationen:
Nächste Schritte:
Mit dem GIA soll die Breitband-Kostensenkungsrichtlinie aus dem Jahr 2014 überarbeitet werden. Im nächsten Schritt beziehen EU-Parlament und Rat Stellung zum Entwurf der KOM, was einige Monate in Anspruch nehmen wird, bevor die Trilogverhandlungen aufgenommen werden können.
*Technische Hintergründe zu Zugang zu Bitstrom und unbeschalteten Glasfasernetzen:
Hierbei handelt es sich um verschiedene Vorleistungsprodukte für Anbieter von Endkundenprodukten, z.B. Prepaid-Internet etc. Die Rolle des kommunalen Unternehmens unterscheidet sich dabei.
- Bitstrom: Hat das kommunale Unternehmen das Glasfasernetz erbaut, ist es der Eigentümer. Im Falle von Bitstrom betreiben sie selbst das Netz: Das bedeutet, sie bieten Bitstromzugang an, kümmern sich um Instandhaltung und Wartung. Kurzum: Sie betreiben das Netz selbst und kümmern sich um alle aktiven Komponenten, die für den Netzbetrieb relevant sind. Dadurch bekommt der Zugangsnachfrager die Möglichkeit, sich allein auf sein Dienste-Angebot zu konzentrieren.
- Unbeschaltete Glasfaser (Dark Fiber): Hier ist der Zugangsnachfrager selbst für den aktiven Betrieb des Glasfasernetzes zuständig. Der Eigentümer bzw. das kommunale Unternehmen ist nicht der Betreiber.