Viele warten noch auf ihren Anschluss ans schnelle Internet. Als eine Ursache gilt der strategische Überbau von Glasfasernetzen durch die Telekom. Das führt dazu, dass manche Gebiete doppelt und sogar noch häufiger, andere jedoch gar nicht ans Glasfasernetz angeschlossen werden. Diese Überbau-Praxis hatten Branchenverbände zuletzt in einem Brandbrief an Bundesminister Volker Wissing kritisiert.
Wie groß das Problem für den flächendeckenden Ausbau der Glasfasernetze ist, zeigt eine Branchen-Umfrage des Verbands kommunaler Unternehmen (VKU) unter seinen Mitgliedsunternehmen: Aktuell droht mehr als 60 Prozent der kommunalen Telekommunikationsunternehmen ein Überbau ihrer Glasfasernetze durch Wettbewerber bzw. ist ein solcher Überbau bereits erfolgt. Ausgerechnet die Telekom überbaut häufig. Postleitzahlangaben zeigen, dass es sich um ein bundesweites Problem in Deutschland handelt.
„Das ist ein Weckruf an die Bundesregierung. Sie muss handeln, damit sich die digitale Spaltung nicht weiter vertieft: Sollte ein Verbot schädlichen Überbaus nicht in Betracht kommen, sollte der Bund als Anteilseigner der Telekom sein Mitspracherecht nutzen, um strategischen Überbau zu verhindern. Überbau gefährdet doch nicht nur den Business Case der Wettbewerber, sondern auch das Ziel der Bundesregierung, bis 2030 in Deutschland flächendeckend Glasfaser auszubauen“, so VKU-Chef Ingbert Liebing in Berlin.
Wer gräbt, verliert: Strategischer Überbau bremst Glasfaserausbau bundesweit
Bei 62 Prozent der kommunalen Telekommunikationsunternehmen droht ein Überbau ihrer Glasfasernetze durch Wettbewerber oder ist ein Überbau bereits erfolgt. 65 Prozent geben an, dass der Überbau sich in der Bauphase des eigenen Glasfasernetzes abzeichnet bzw. der Überbau genau dann erfolgt. Überbau findet insofern vor allem in der frühen Phase statt. Je weiter der Netzausbau bereits fortgeschritten ist, desto seltener wird überbaut. Liebing: „Offenkundig ist Überbau strategisch motiviert. Diese Gefahr schwebt wie ein Damoklesschwert über jedem neuen Ausbauvorhaben und ist eine Drohung: Wer gräbt, verliert. Das hemmt die Bereitschaft, zu investieren – von einer desaströsen Fehlallokation begrenzter Ressourcen in einer Volkswirtschaft, wie Tiefbaukapazitäten und Fachkräften, mal abgesehen. Unterm Strich bremst strategischer Überbau den flächendeckenden Ausbau der Glasfasernetze.“
Open Access ist marktreife Lösung
Der strategische Überbau erfolgt, obwohl insgesamt 69 Prozent der befragten Unternehmen Open Access auf ihrem überbauten bzw. von Überbau bedrohten Netz anbieten bzw. dies planen. Dabei können Wettbewerber sich gegen ein Entgelt auf das vorhandene Glasfasernetz eines Betreibers schalten. Insgesamt bieten 89 Prozent der kommunalen Unternehmen bereits Open Access auf ihren Netzen an bzw. planen dies. Vor zwei Jahren waren es noch 79 Prozent. „Open Access hat längst den Siegeszug angetreten. Technisch gibt es also keinen Grund, ein eigenes Netz dorthin zu bauen, wo andere bereits ein Glasfasernetz zur Verfügung stellen. Sinnvoller wäre es, all die Kapazitäten und Ressourcen in die Gebiete zu lenken, die noch immer auf ihren Anschluss ans schnelle Internet warten“, so Liebing.
Hintergrund mit Eckdaten zur Umfrage:
- Grundgesamtheit: 244 CEOs von kommunalen Telekommunikationsunternehmen im VKU
- hohe Rücklaufquote von 27 Prozent: 66 Teilnehmer
- Fragebogendesign und Ergebnisse:
- Findet derzeit ein Überbau Ihrer Glasfaserinfrastruktur durch andere Telekommunikationsunternehmen statt oder zeichnet sich ein solcher Überbau ab?
- Ja: 62 Prozent
- Nein: 38 Prozent
- In welcher Phase findet der Überbau Ihrer Glasfaserinfrastruktur statt bzw. zeichnet er sich ab? (Mehrfachantwort möglich)
- Bauphase: 65 Prozent
- bestehendes Netz: 55 Prozent
- Vorvermarktung: 43 Prozent
- Bietet Ihr Unternehmen Open Access auf dem überbauten bzw. vom Überbau bedrohten Glasfasernetz an?
- Ja: 38 Prozent
- In Planung: 31 Prozent
- Nein: 31 Prozent
- Bieten Sie Dritten aktuell einen offenen und diskriminierungsfreien Netzzugang an?
- Ja: 60 Prozent
- In den nächsten drei Jahren geplant: 29 Prozent
- Nein: 11 Prozent
Der Verband kommunaler Unternehmen e. V. (VKU) vertritt über 1.500 Stadtwerke und kommunalwirtschaftliche Unternehmen in den Bereichen Energie, Wasser/Abwasser, Abfallwirtschaft sowie Telekommunikation. Mit rund 293.000 Beschäftigten wurden 2020 Umsatzerlöse von 123 Milliarden Euro erwirtschaftet und mehr als 16 Milliarden Euro investiert. Im Endkundensegment haben die VKU-Mitgliedsunternehmen signifikante Marktanteile in zentralen Ver- und Entsorgungsbereichen: Strom 66 Prozent, Gas 60 Prozent, Wärme 88 Prozent, Trinkwasser 89 Prozent, Abwasser 45 Prozent. Die kommunale Abfallwirtschaft entsorgt jeden Tag 31.500 Tonnen Abfall und hat seit 1990 rund 76 Prozent ihrer CO2-Emissionen eingespart – damit ist sie der Hidden Champion des Klimaschutzes. Immer mehr Mitgliedsunternehmen engagieren sich im Breitbandausbau: 206 Unternehmen investieren pro Jahr über 957 Millionen Euro. Künftig wollen 80 Prozent der kommunalen Unternehmen den Mobilfunkunternehmen Anschlüsse für Antennen an ihr Glasfasernetz anbieten. Zahlen Daten Fakten 2022
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