Berlin, 26.07.2022. „Spätestens seit der Ankündigung der weiteren Drosselung von Nord Stream 1 auf 20 Prozent ist klar, dass die Situation noch kritischer geworden ist und die Schraube vom Kreml jederzeit auch noch weiter angezogen werden kann.
Daher müssen wir uns schützen und darauf vorbereiten, wann, wo und wie stark uns ein Gasmangel treffen kann. Dabei gibt es keine Perspektive mehr, auf russisches Gas für diesen oder auch den nächsten Winter zu setzen. Die bisherigen Speicherziele, erst recht die geplanten verschärften Ziele, dürften ohne zusätzliche Maßnahmen nicht mehr erreichbar sein. Wir müssen jetzt die energiewirtschaftliche Lieferkette und die Endkunden für den Eintritt einer Mangellage wappnen und erforderlichenfalls auch zu Notfallmaßnahmen greifen.
Einsparungen müssen vor allem über alle Energieträger erfolgen. Der umsichtige Umgang mit allen energetischen Ressourcen wie Gas und Strom, aber auch Öl und Benzin ist zwingend. So macht es überhaupt keinen Sinn, daheim mit Radiatoren gegen einen Gasmangel anheizen zu wollen. Es geht jetzt um spürbare Einschränkungen, vor allem, weil wir auch nach wie vor mit stark ansteigenden Preisen rechnen.
Das ist auch schon bei vielen Verbraucherinnen und Verbrauchern angekommen: Die Nachfragen nach Energieeinsparmöglichkeiten haben sich bei vielen unserer Mitgliedsunternehmen verdoppelt, teilweise sogar verfünffacht im Vergleich zu den Vorquartalen bzw. erstes Halbjahr 2021. Dazu zählen auch Anfragen nach PV-Anlagen und Wärmepumpen. Dies vor allem vor dem Hintergrund der zu erwartenden hohen Energierechnungen im Herbst 2022.
Dabei muss die Versorgung geschützter Kunden so lange es irgend geht, aufrecht erhalten bleiben. Stadtwerke sind hier in einer zentralen Rolle, insbesondere als Grundversorger in ihrer Region.
Damit sie dem unter allen Umständen gesichert nachkommen können, sollte die Bundesregierung kommunale Energieversorger gerade jetzt durch einen ergänzenden Schutzschirm decken, um eine verlässliche Energieversorgung aufrecht zu erhalten. Der Schutzschirm für die kommunalen Unternehmen sollte ein befristetes Insolvenzmoratorium wie in der Corona-Krise, einen Bürgschaftsrahmen für den OTC-Handel sowie Liquiditätshilfen und Zuschüsse für den Fall beinhalten, dass die steigenden Preise erhöhte Finanzierungslasten und Zahlungsausfälle verursachen.
Die angekündigte Umlage der hohen Wiedereindeckungskosten auf Seiten der Importeure sollte der Bund unbedingt vor dem Herbst umsetzen und vor allem die Umlage der hohen Energiepreise zeitlich so strecken, dass Kundinnen und Kunden nicht überfordert werden. Zudem sollte sich der Staat zumindest einen Zuschuss aus Steuermitteln vorbehalten, der bei Bedarf die Belastung weiter dämpft. Auch muss die Umlage rechtzeitig angekündigt und einfach kommuniziert werden können.
Eine wirksame Reduzierung des Energieverbrauchs sollte dazu vor allem über marktliche Instrumente angeregt werden. Im Bereich der Gewerbe und industriellen Kunden sind daher Auktionsmodelle der richtige Ansatz.
Auch für private Kunden könnten über das aktuelle Maßnahmenpaket hinaus entsprechende Anreize wie Bonussysteme ein weiteres Instrument sein. Dabei ist darauf zu achten, dass diese Systeme wirklich einfach und niedrigschwellig umzusetzen sind, sowohl für die Energieversorger als auch für die Kundinnen und Kunden.
Dasselbe gilt für eventuelle Vorgaben der Behörden im Krisenfall, den Gasverbrauch zu senken. Jetzt geht es darum, für alle verständlich leicht umzusetzende Vorgaben zu formulieren, um eine breite Akzeptanz zu erzielen.
Sollte sich im Laufe der nächsten Wochen zeigen, dass Energieeinsparungen nicht ausreichen und die Speicher nicht wie geplant gefüllt werden können, erscheint aus unserer Sicht die Ausrufung der Notfallstufe nach dem Notfallplan Gas notwendig.“
Der Verband kommunaler Unternehmen e. V. (VKU) vertritt über 1.500 Stadtwerke und kommunalwirtschaftliche Unternehmen in den Bereichen Energie, Wasser/Abwasser, Abfallwirtschaft sowie Telekommunikation. Mit rund 283.000 Beschäftigten wurden 2019 Umsatzerlöse von 123 Milliarden Euro erwirtschaftet und mehr als 13 Milliarden Euro investiert. Im Endkundensegment haben die VKU-Mitgliedsunternehmen signifikante Marktanteile in zentralen Ver- und Entsorgungsbereichen: Strom 62 Prozent, Gas 67 Prozent, Trinkwasser 91 Prozent, Wärme 79 Prozent, Abwasser 45 Prozent. Sie entsorgen jeden Tag 31.500 Tonnen Abfall und tragen durch getrennte Sammlung entscheidend dazu bei, dass Deutschland mit 67 Prozent die höchste Recyclingquote in der Europäischen Union hat. Immer mehr Mitgliedsunternehmen engagieren sich im Breitbandausbau: 203 Unternehmen investieren pro Jahr über 700 Millionen Euro. Beim Breitbandausbau setzen 92 Prozent der Unternehmen auf Glasfaser bis mindestens ins Gebäude. Wir halten Deutschland am Laufen – klimaneutral, leistungsstark, lebenswert. Unser Beitrag für heute und morgen: #Daseinsvorsorge. Unsere Positionen: 2030plus.vku.de.