Kapazitätssicherung ohne Hedgingpflicht!
Hedgingpflicht als Kapazitätsmechanismus bietet keine Investitionssicherheit
Aus VKU-Sicht sollte unbedingt auf eine Vermischung von EU-Vorgaben zum Schutz von Verbrauchern vor hohen Strompreisen mit nationalen Hedgingvorgaben zur Finanzierung von Investitionen in flexible Erzeugung verzichtet werden.
21.05.24
Aus VKU-Sicht sollte unbedingt auf eine Vermischung von EU-Vorgaben zum Schutz von Verbrauchern vor hohen Strompreisen mit nationalen Hedgingvorgaben zur Finanzierung von Investitionen in flexible Erzeugung verzichtet werden.
Kapazitätssicherung ohne Hedgingpflicht!
Auf der Plattform Klimaneutrales Stromsystem (PKNS) stellten Vertreter aus der Wissenschaft im November 2023 unter dem Namen „Strommarkt-Plus“ ein Instrument vor, das als Ansatz zur Stärkung des wettbewerblichen Strommarkts beschrieben wurde. Hinter dem Instrument steht eine Hedgingpflicht für Energieversorger. Diese werden verpflichtet, ein bestimmtes Hedgingprodukt (Spike-Produkt) nachzufragen, um sich gegen Preisspitzen in den Kurzfristmärkten abzusichern.
Der Vorschlag soll an die Hedgingpflicht-Vorgaben aus der EU-Marktdesignreform anknüpfen, mit der Energieversorger verpflichtet werden sollen, ihre Kunden gegen Preisniveaurisiken abzusichern. Der VKU hatte sich gegen eine solche Verpflichtung ausgesprochen. Für die überwiegende Mehrheit der kommunalen Energieversorger gehören Hedging oder Preissicherungsstrategien zum bestehenden Geschäftsmodell, ihre Kunden vor allzu hohen Energiepreisen zu schützen. Pauschale Vorgaben zum Hedging schränken die Handlungsmöglichkeiten aller Energieversorger und deren vielfältige Vertriebsangebote ein, denn es gibt keine einheitlich richtige Hedgingstrategie. Die Absicherung muss immer zum jeweiligen Vertriebsprodukt passen.
Durch den Ansatz des „Strommarkt Plus“ würde diese Verpflichtung sogar noch weitergehend ausgestaltet und zusätzlich auf eine Verpflichtung zur Absicherung von Preisspitzen erweitert. Anbieter des Spike-Produkts sollen dadurch Refinanzierungsmöglichkeiten für ihre Spitzenlastanlagen erhalten. Der Ansatz wurde damit als eine Option für einen Kapazitätsmechanismus präsentiert.
Die Möglichkeit einzelne Stunden abzusichern, ist bereits heute problemlos im Rahmen von OTC-Fahrplangeschäften gegeben. Stadtwerke fahren in der Regel auch sicherheitsorientierte Beschaffungsstrategien, um Preisniveaurisiken abzusichern. Starke Preissprünge während der Energiepreiskrise konnten so abgefedert und Stromkunden vor allzu starken Preiserhöhungen geschützt werden – ganz im Sinne der geplanten Hedgingpflicht aus der EU-Strombinnenmarktrichtlinie. Dagegen wäre eine Vermarktung und Finanzierung von Flexibilität als verpflichtendes Spike-Produkt nur mit sehr hohen Risikoaufschlägen/Optionsprämien möglich, da die Kraftwerksbetreiber über diese Festlegung den Verlust des Zeitwertes ihrer Anlagen kompensieren müssen. Der Handel mit Optionen als mögliche Ausgestaltung der diskutierten Hedgingpflicht ist aber in vielen kommunalen Unternehmen reglementiert. Eine Freigabe müsste durch die Eigentümer/Aufsichtsräte erfolgen, welche teilweise keine Bewertungskompetenzen für solche Produkte besitzen.
Es ist zudem äußerst fraglich, ob der theoretische Ansatz eines Hedgingprodukts – ohne Herstellung eines kapazitativen Bezugs – Investitionssicherheit für die Errichtung neuer Kapazitäten bietet und somit den gewünschten Zweck eines Kapazitätsmechanismus überhaupt erfüllen kann. Dafür braucht es sehr langfristige Vermarktungsansätze, keinen unspezifischen und theoretischen Preisansatz. Kurzlaufende Hedging-Produkte bieten keine Investitionssicherheit für neue Kapazitäten. Bei Kunden mit dynamischen Stromtarifen würde die Hedgingpflicht wegen der Kopplung an die Börsenpreise auch nicht greifen. Diese Kunden würden damit nicht zur gewünschten Absicherung beitragen.
Aus VKU-Sicht sollte unbedingt auf eine Verquickung der Vorgaben aus der EU-Hedgingpflicht (Stoßrichtung Verbraucherschutz durch Absicherung von Preisniveaurisiken) mit vermeintlich kapazitätssichernden Elementen (Stoßrichtung Versorgungssicherheit durch Absicherung von Preisspitzen) verzichtet werden. Zur Refinanzierung von (neuen) steuerbaren Kapazitäten sollte auf etablierte und im europäischen Ausland bereits erprobte explizite Kapazitätsmechanismen gesetzt werden.
VKU-Mitgliedsunternehmen finden weitergehende Informationen und das Positionspapier hier.