Kompromissverhandlungen nach dem Sommer
EU-Institutionen positionieren sich zur Reform des EU-ETS

Das Europäische Parlament und die EU-Umweltminister haben sich zur ETS-Reform positioniert. Während die Mitgliedstaaten für die Einführung eines neuen ETS II für Gebäude und Verkehr ab 2027 eintreten, fordert das Parlament die Einführung zunächst nur für gewerbliche Gebäude und Verkehr. Beide Institutionen sprechen sich darüber hinaus dafür aus, die Siedlungsabfallverbrennung einzubeziehen.

04.07.22

Mit den Positionierungen von Europäischem Parlament und Ministerrat wurde im Juni ein Meilenstein in den Verhandlungen zu einem Eckpfeiler des „Fit for 55“-Pakets erreicht. Nach dem Sommer wollen die EU-Institutionen über Kompromisse verhandeln. Die Verhandlungen können einige Monate in Anspruch nehmen. Der VKU wird die weiteren Verhandlungen intensiv begleiten und die Positionen der Kommunalwirtschaft aktiv einbringen.

Position des Ministerrates

Nach langen Verhandlungen haben sich die EU-Umweltminister am 29. Juni auf ihre Position zur Reform des EU-Emissionshandelssystems verständigt, was der VKU mit einem Pressestatement begleitet hat. In den für den VKU besonders relevanten Aspekten haben sich die Mitgliedstaaten dabei deutlich näher am Vorschlag der EU-Kommission orientiert als das Parlament, was aus VKU-Sicht zu begrüßen ist. Das betrifft insbesondere auch die grundsätzliche Unterstützung für die Einführung eines neuen separaten ETS II für Gebäude und Verkehr. Dessen Einführung wollen sie allerdings um ein Jahr nach hinten verschieben, auf 2027, um den Mitgliedstaaten, die noch kein solches System haben, mehr Vorbereitungszeit einzuräumen. Der Ministerrat schlägt darüber hinaus ein Opt In für weitere Nutzungssektoren vor, sodass jeder Mitgliedstaat entscheiden könnte, zusätzliche Sektoren einzubeziehen, über Verkehr und Gebäude hinaus, beispielsweise für kleinindustrielle Prozesswärme.  Außerdem fordern die EU-Umweltminister ein Opt Out für Mitgliedstaaten, die bereits nationale Maßnahmen wie eine Kohlenstoffsteuer haben. Diese Opt Out soll aber an strenge Voraussetzungen geknüpft werden.

Die Umweltminister haben sich außerdem auf die Aufnahme der Siedlungsabfallverbrennung ab 2031 in den ETS I geeinigt. Dem vorausgehen soll eine Folgenabschätzung bis zum 31. Dezember 2026, die die Auswirkungen auf den Binnenmarkt, mögliche Wettbewerbsverzerrungen, Umweltintegrität, Übereinstimmung mit den Zielen der Abfallrahmenrichtlinie sowie die Überwachung und Berechnung der Emissionen analysieren soll.

Position des Europäischen Parlaments

Eine Woche zuvor, am 22. Juni, hatte sich das Europäische Parlament zur ETS-Reform positioniert. Der VKU hat die Plenarabstimmung mit einer Pressemitteilung kommentiert. Anders als EU-Kommission und Mitgliedstaaten wollen die Europaabgeordneten den neuen ETS II zunächst nur für gewerbliche Gebäude und Verkehr anwenden, mit einem festgelegten CO2-Höchstpreis von 50 Euro. Bis 2026 soll die EU-Kommission untersuchen, ob eine Einführung auch für private Haushalte und PKW in Frage kommt. Dazu soll eine Reihe von Konditionen erfüllt sein müssen. Die EU-Kommission soll die Ausweitung frühestens ab 2029 über einen neuen Gesetzgebungsvorschlag vorschlagen dürfen. Das Parlament spricht sich darüber hinaus dafür aus, die Weitergabe der Kosten an private Endverbraucher auf die Hälfte zu deckeln. Offen ist allerdings, wer die restlichen 50 Prozent finanzieren soll und wie auf diese Weise eine volle Lenkungswirkung bei den Letztverbrauchern zum Verzicht auf fossile Energieträger erzielt werden soll.

Das Parlament schlägt ebenfalls eine Aufnahme der Abfallverbrennung in den ETS I ab 2026 vor. Dazu soll die EU-Kommission vorab bis 2024 die möglichen Auswirkungen auf die Deponierung und die Abfallverbringung in Drittstaaten untersuchen und dabei auch die mögliche Aufnahme anderer Abfallbehandlungsverfahren prüfen. 

VKU-Einschätzung
Aus VKU-Sicht ist der EU-Emissionshandel ein zielgerichtetes und kosteneffizientes Klimaschutzinstrument. Deswegen ist die schrittweise Ausweitung auf Gebäude und Verkehr als die Sektoren mit dem größten verbliebenen Klimaschutzpotenzial grundsätzlich richtig. Der Vorschlag des Parlaments verheddert sich jedoch in Komplexität und geht für die praktische Umsetzung mit zu viel administrativem Aufwand einher. Für Stadtwerke und kommunale Versorger vor Ort ist eine solche Unterscheidung zwischen gewerblichen und privaten Akteuren kaum umsetzbar. Der VKU spricht sich daher mit Blick auf die Trilogverhandlungen über Kompromisse zwischen den EU-Institutionen für eine Orientierung am Vorschlag von EU-Kommission und Rat aus, einen separaten ETS II zeitgleich für private und gewerbliche Gebäude und Verkehr einzuführen, um Aufwand und Komplexität zu reduzieren. Ein separater ETS II muss den nationalen Emissionshandel (BEHG) vollständig ersetzen. Die Möglichkeit zum Einbezug weiterer Sektoren neben Gebäude und Verkehr ist daher zu begrüßen. Der Vorschlag des Parlaments lässt außerdem offen, wie die Emissionen im privaten Gebäudesektor adressiert werden können, die seit Jahren kaum gesunken sind. Auch mit Blick auf die Weitergabe der CO2-Kosten an private Endverbraucher unterstützt der VKU die Vorschläge von EU-Kommission und Ministerrat. Nur so kann es gelingen, über einen separaten ETS II für Verkehr, Gebäude und optional einzubeziehende Sektoren die volle Lenkungswirkung zu erzielen und Anreize dafür zu setzen, auf fossile Energieträger zu verzichten.

Darüber hinaus ist aus VKU-Sicht unerlässlich, eine gründliche Analyse der abfallwirtschaftlichen Folgen und die Gleichbehandlung aller Behandlungsverfahren sicherzustellen, bevor eine Siedlungsabfallverbrennung in den Emissionshandel aufgenommen würde. Ansonsten würden Siedlungsabfälle wieder vermehrt auf Deponien landen. Das wäre klimaschädlicher als die Verbrennung und ist in Deutschland deswegen seit 2005 verboten. Aus VKU-Sicht ist mit Blick auf die europäische Debatte umso wichtiger, einen nationalen Alleingang zu verhindern, der Müllexporte nur befeuern würde.