Aspekte zu Erdgas und Atomenergie ausgelagert
Europäische Kommission legt delegierten Rechtsakt zur EU-Taxonomie-Verordnung vor
Im Rahmen der EU-Taxonomie für nachhaltige Finanzierung legte die EU-Kommission am 21. April 2021 ihren delegierten Rechtsakt vor. Die politisch besonders umstrittene Entscheidung, ob und wie Investitionen in Erdgasprojekte als nachhaltig eingestuft werden, hat die EU-Kommission kurzfristig auf Ende des Jahres vertagt.
26.04.21
Im Rahmen der EU-Taxonomie für nachhaltige Finanzierung legte die EU-Kommission am 21. April 2021 ihren delegierten Rechtsakt vor. Die politisch besonders umstrittene Entscheidung, ob und wie Investitionen in Erdgasprojekte als nachhaltig eingestuft werden, hat die EU-Kommission kurzfristig auf Ende des Jahres vertagt.
Auf europäischer Ebene wird seit mehr als zwei Jahren an einem Klassifizierungssystem für nachhaltige Investitionen, der „Taxonomie“, gearbeitet. In delegierten Rechtsakten sollen wirtschaftliche Aktivitäten und technische Evaluierungskriterien für Nachhaltigkeit im Sinne der Taxonomie-Verordnung festgelegt werden. Der VKU hat die Arbeit von Anfang an eng begleitet. Nachdem die eigentlich bereits für Ende 2020 vorgesehene Verabschiedung des ersten delegierten Rechtsakts zu zwei von sechs Umweltzielen der Taxonomie, nämlich zu Klimaschutz und Klimaanpassung, kurzfristig verschoben wurde (s. VKU Nachrichten vom 23. Februar 2021), hat die EU-Kommission am 21. April 2021 ihren Vorschlag vorgelegt. Aktivitäten im Bereich Erdgas wurden aber kurzfristig aus dem Rechtsakt ausgelagert und die damit verbundene Entscheidung über deren Einstufung als nachhaltig im Sinne der Taxonomie erneut aufgeschoben.
Einstufung von Investitionen in Erdgasprojekte verschoben
Erst in der zweiten Jahreshälfte will die EU-Kommission einen komplementären delegierten Rechtsakt vorstellen, der Erdgas behandelt. Da, wo die Taxonomie-Verordnung keine Anerkennung der Übergangsrolle von Gas beim Ausstieg aus Kohle und Öl zulässt, kündigte die EU-Kommission zum Ende des Jahres eine Verordnung an. Das heißt: Ein ordentlicher Gesetzgebungsprozess würde beginnen, der mehrere Jahre andauern könnte.
Wenngleich begrüßenswert ist, dass sich die bisher vorgeschlagenen realitätsfernen negativen Kriterien für Investitionen in z. B. gasbefeuerte Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen nicht durchgesetzt haben, bleibt kritisch, dass Erdgas damit zunächst nicht im delegierten Rechtsakt enthalten ist und damit Aktivitäten in diesem Bereich derzeit nicht als nachhaltig definiert werden. Nicht nur die Auslagerung selbst befördert die Investitionsunsicherheit, auch ein separates europäisches Gesetzgebungsverfahren würde dazu beitragen.
Besonders problematisch ist, dass sich die deutsche Bundesregierung bisher zu keiner einheitlichen Position zu Erdgasprojekten durchringen konnte. Eine Positionierung ist nun dringlicher, da die Beratungen über den ausgelagerten Rechtsakt in die Zeit der Koalitionsverhandlungen fallen dürfte, in der die Bundesregierung kaum handlungsfähig ist. Eine vorherige Positionierung der größten Volkswirtschaft hätte im Ministerrat politischen Einfluss. Der VKU ist weiterhin im intensiven Austausch mit den zuständigen Bundesministerien.
Schnelle Investitionssicherheit, um Versorgungssicherheit zu erhalten
In seiner Pressemitteilung hat der VKU daher darauf hingewiesen, dass der Transformationsprozess hin zu einer klimaneutralen EU bis 2050 jetzt stattfindet und mit langen Investitionszyklen verbunden ist, die Investitionssicherheit voraussetzen. Die Frage, ob diese Investitionen als nachhaltig angesehen werden können, ist elementar und muss schnellstmöglich geklärt werden, damit kommunale Energieversorger ihren Beitrag dazu leisten, die ambitionierten Klimaziele bis 2030 zu erreichen.
Auswirkungen der Taxonomie für die Wasserwirtschaft
Gegenüber dem Dezember-Vorschlag, zu dem der VKU Stellung genommen hatte, konnten hinsichtlich der Kriterien für die Wasserver- und Abwasserentsorgung im Rahmen der Umweltziele Klimaschutz und Klimaanpassung zwar erste Anpassungen insbesondere für die Abwasserwirtschaft erreicht werden. Diese ändern an der Grundproblematik jedoch nichts, dass die Kriterien für die Mehrzahl der Ver- und Entsorger abseits besonders günstiger Bedingungen nicht erreichbar sein werden. Letztlich werden die Wirksamkeit der Taxonomie und die Auswirkungen auf die kommunalen Wasserver- und Abwasserentsorger aus dem Zusammenspiel aller sechs Umweltziele zu bewerten sein müssen, vor allem zwischen dem jetzt vorgelegten Rechtsakt zu den Zielen Klimaschutz und Klimaanpassung sowie den noch ausstehenden Kriterien – insbesondere für den Gewässerschutz. Dabei wird sich der VKU intensiv dafür einsetzen, dass Umwelt- und Gesundheitsziele nicht gegen Klimaziele ausgespielt werden dürfen.
Relevanz für die Abfallwirtschaft
Zurzeit ist die thermische Abfallverwertung nicht Teil der Taxonomie, womit die entsprechenden Anlagen nicht als nachhaltig im Sinne der Taxonomie gelten können. Dabei ist die thermische Verwertung aus VKU-Sicht insbesondere zur Energierückgewinnung (“waste-to-energy") unabdingbar für eine effiziente Kreislaufwirtschaft, denn so kann aus der sicheren Entsorgung nicht-recyclebarer Abfällen noch Energie entstehen. Mit dem Ausschluss der thermischen Abfallverwertung aus der Taxonomie würde somit die Finanzierung einer nachhaltigen Energiegewinnungs- und Abfallverwertungstechnologie deutlich erschwert.
Weiterer Prozess
Europäisches Parlament sowie Ministerrat haben vier Monate Zeit, den delegierten Rechtsakt der EU-Kommission anzunehmen oder abzulehnen, Änderungen sind nicht möglich. Sollten sich beide Institutionen in dieser Zeit nicht melden, gilt der Rechtsakt als bestätigt. Der komplementäre delegierte Rechtsakt zu Erdgas sowie Atomenergie soll in der zweiten Jahreshälfte vorgelegt werden. Ein separater Verordnungsvorschlag ist für Ende des Jahres vorgesehen. Bis Ende des Jahres will die EU-Kommission außerdem einen delegierten Rechtsakt zu den vier noch ausstehenden Umweltzielen, darunter die nachhaltige Nutzung und der Schutz von Wasser- und Meeresressourcen sowie zur Kreislaufwirtschaft, vorlegen. Der VKU wird die Prozesse weiterhin sehr eng begleiten und sich in die Diskussionen einbringen.