Finanzverwaltung setzt EuGH- und BFH-Rechtsprechung um
Geänderte Umsatzbesteuerung von Aufsichtsratsmitgliedern
Nach bisheriger Verwaltungspraxis sind Aufsichtsratsmitglieder grundsätzlich als umsatzsteuerlicher Unternehmer anzusehen. Mit Urteil des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) vom 13.06.2019 hatte das Gericht jedoch in einem bestimmten Fall die Unternehmereigenschaft verneint. Mit Schreiben vom 08.07.2021 hat das Bundesministerium der Finanzen (BMF) nun seine Auffassung angepasst.
28.07.21
Nach bisheriger Verwaltungspraxis sind Aufsichtsratsmitglieder grundsätzlich als umsatzsteuerlicher Unternehmer anzusehen. Mit Urteil des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) vom 13.06.2019 hatte das Gericht jedoch in einem bestimmten Fall die Unternehmereigenschaft verneint. Mit Schreiben vom 08.07.2021 hat das Bundesministerium der Finanzen (BMF) nun seine Auffassung angepasst.
Nach bisheriger Verwaltungspraxis erbringt ein Mitglied des Aufsichtsrats mit seiner/ihrer Tätigkeit steuerbare und (grundsätzlich) umsatzsteuerpflichtige Leistungen. Die für diese Tätigkeit erhaltenen Vergütungen bzw. Entschädigungen unterlagen also bisher ganz weitgehend der Umsatzsteuer. Ggf. war zu prüfen, ob für das jeweilige Aufsichtsratsmitglied unter die Steuerbefreiung für Kleinunternehmer (§ 19 UStG) fällt.
Der EuGH hatte jedoch mit Urteil vom 13.06.2019 (C-420/18) entschieden, dass ein Aufsichtsratsmitglied nicht selbständig tätig ist, wenn es für seine Tätigkeit eine Festvergütung erhält und damit kein Vergütungsrisiko trägt. Damit liegt in diesen in der Praxis weit verbreiteten Fällen eine wesentliche Voraussetzung für unternehmerisches Handeln nicht vor; die Vergütungen unterliegen also in solchen Fällen entgegen der bisherigen Verwaltungspraxis nicht der Umsatzsteuer.
Der Bundesfinanzhof (BFH) hatte sich mit Urteil vom 27.09.2019 (V R 23/19) dieser Sichtweise angeschlossen. Damit war davon auszugehen, dass auch die Finanzverwaltung die entsprechenden Regelungen im Umsatzsteuer-Anwendungserlass ändern wird. Mit Anwendungsschreiben des BMF vom 08.07.2021 hat die Finanzverwaltung ihre Praxis nunmehr an die Rechtsprechung angepasst, indem die entsprechenden Regelungen in Abschnitt 2.2. Umsatzsteuer-Anwendungserlass (UStAE) geändert wurden. Die Tätigkeit eines Aufsichtsratsmitglieds, das eine Festvergütung erhält, unterliegt damit grundsätzlich nicht der Umsatzsteuer. Als Festvergütungen sind dabei pauschale Aufwandsentschädigungen anzusehen, die unabhängig von der Teilnahme an den Sitzungen für die Dauer der Mitgliedschaft im Aufsichtsrat gezahlt werden.
Sitzungsgelder hingegen, die das Mitglied des Aufsichtsrats nur erhält, wenn es tatsächlich an der Sitzung teilnimmt, sind dem BMF-Schreiben zufolge als variable Vergütungen anzusehen, die eine unternehmerische Tätigkeit begründen. Das gleiche gilt für nach dem tatsächlichen Aufwand bemessene Aufwandsentschädigungen.
Besteht die Vergütung eines Aufsichtsratsmitglieds sowohl aus festen als auch variablen Bestandteilen, ist es grundsätzlich selbständig und damit unternehmerisch tätig, wenn die variablen Bestandteile im Kalenderjahr mindestens 10 Prozent der gesamten Vergütung, einschließlich erhaltener Aufwandsentschädigungen, betragen.
Eine Besonderheit gilt bei Beamten und anderen Bediensteten einer Gebietskörperschaft, die u.U. allein auf Grund ihrer Aufsichtsratstätigkeit als Unternehmer angesehen werden könnten. Haben diese die Tätigkeit als Aufsichtsrat auf Verlangen des Arbeitsgebers übernommen und sind sie nach beamten- oder dienstrechtlichen Vorschriften verpflichtet, einen Teil der erhaltenen Vergütung an diesen abzuführen, wird es von der Finanzverwaltung nicht beanstandet, wenn diese ebenfalls als nicht selbständig und damit nicht unternehmerisch tätig behandelt werden.
Die Regelungen des BMF-Schreibens sind in allen offenen Fällen anzuwenden. Zur Vermeidung von Übergangsschwierigkeiten dürfen Leistungen, die bis zum 31.12.2021 ausgeführt werden, noch nach den bisherigen Regelungen bewertet werden. Dies gilt auch für Zwecke des Vorsteuerabzugs.