EuGH widerspricht BFH
Keine Steuerbefreiung für Schwimmkurse

Mit Urteil vom 21.10.2021 (C 373/19 - Dubrovin & Tröger GbR – Aquatic) hat sich der Europäische Gerichtshof (EuGH) zur umsatzsteuerlichen Behandlung von Schwimmkursen geäußert. Demnach fällt Schwimmunterricht nicht in den Anwendungsbereich der Steuerbefreiung für Schul- und Hochschulunterricht i.S.d. Art.132 Abs.1 Buchst. j MwStSystRL.

01.11.21

In den letzten Jahren hat sich die nationale Rechtsprechung mehrfach mit der steuerlichen Behandlung von Schwimmunterricht befasst. Insbesondere betrifft das ein Verfahren in zwei Rechtsgängen, das beim FG Münster anhängig war (Urteile vom 13.12.2011 – 15 K 104/08 U – und vom 15.08.2017 – 15 K 2689/14 U bzw. Urteil des BFH vom 05.06.2014, V R 19/13).

Nachdem der BFH die Sache an das FG Münster zurückverwiesen hatte, urteilte dieses, dass die Umsätze einer Schwimmschule mit dem Kurs Kleinkinder-Schwimmen steuerfrei sind. Die Steuerfreiheit ergäbe sich demnach aus Art. 132 Abs. 1 Buchst j MwStSysRL („von Privatlehrern erteilter Schul- und Hochschulunterricht“), denn an der Erlernung der Schwimmfähigkeit bestehe ein hohes Gemeinwohlinteresse und zudem werde dies auch an öffentlichen Schulen unterrichtet. Der Kläger konnte sich mangels konkreter Regelung im Umsatzsteuergesetz unmittelbar auf die Regelung aus der MwStSysRL berufen.

Aqua-Jogging und Aqua-Fitness-Kurse sind dem Urteil des FG Münster zufolge ebenfalls nach Art. 132 Abs. 1 Buchst j MwStSysRL steuerbefreit. Etwas anderes würde dann gelten, wenn es sich um Veranstaltungen mit bloßem Freizeitcharakter handeln würde. Baby-Schwimmkurse sind dem Urteil des FG Münster zufolge hingegen steuerpflichtig.

Ob diese Grundsätze auf Schwimmkurse, die von öffentlichen Bäderbetreiben angeboten werden, übertragbar sind, war schon immer fraglich, denn der Norm zufolge bedarf es einer „von einem Privatlehrer getragenen Bildungseinrichtung“. Es ist aber denkbar, dass auch im Bereich der kommunalen Badbetreiber auf Grundlage der vorgenannten Rechtsprechung die Steuerbefreiung nach Art. 132 Abs. 1 Buchst j MwStSysRL mitunter angewandt wird. Infolge der aktuellen EuGH-Rechtsprechung wird dies aber künftig nicht mehr möglich sein.

Mit Urteil vom 14.03.2019 (C-449/17, A & G Fahrschul-Akademie) hatte der EuGH bereits angedeutet, dass er zu einer engen Auslegung des Begriffs „Schul- und Hochschulunterricht“ tendiert. Unter dem Eindruck dieser Rechtsprechungsentwicklung sah es der BFH entgegen seiner bis dahin praktizierten Rechtsprechung nicht mehr als gesichert an, dass Schwimmunterricht vom Begriff „Schul- und Hochschulunterricht“ umfasst ist. Das Gericht hat daher mit Beschluss vom 27.03.2019 (V R 32/18) dem EuGH diese Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt.

Über diese Vorlage hat der EuGH in in seinem Urteil vom 21.10.2021 entschieden. Demnach fällt Schwimmunterricht nicht in den Anwendungsbereich der Steuerbefreiung für Schul- und Hochschulunterricht i.S.d. Art.132 Abs.1 Buchst. j MwStSystRL. Der Begriff des „Schul- und Hochschulunterrichts“ verweist der Urteilsbegründung zufolge allgemein auf ein integriertes System der Vermittlung von Kenntnissen und Fähigkeiten in Bezug auf ein breites und vielfältiges Spektrum von Stoffen sowie auf die Vertiefung und Entwicklung dieser Kenntnisse und Fähigkeiten durch die Schüler und Studenten, je nach ihrem Fortschritt und ihrer Spezialisierung auf den verschiedenen Stufen dieses Systems. Beim Schwimmunterricht handle es sich hingegen um einen spezialisierten und punktuell erteilten Unterricht, der diese Anforderungen nicht erfüllt. Soweit kommune Badbetreiber demnach bislang von der Steuerbefreiung für Schul- und Hochschulunterricht Gebrauch gemacht haben, wird dies künftig nicht mehr möglich sein.

Eine weitere Frage, die sich dann stellt, betrifft den Umsatz-Steuersatz, mit dem die Kurse belegt werden müssen. Anders als bei privaten Schwimmschulen, die regelmäßig nicht selbst Badbetreiber sind, kommt bei kommunalen Bäderbetreibern die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes nach § 12 Abs. 2 Nr. 9 UStG in Betracht, soweit es sich um unmittelbar mit dem Betrieb der Schwimmbäder verbundene Umsätze handelt. Gem. Abschnitt 12.11.UStAE ist dies bei Schwimmkursen der Fall. Schwimmkurse, die kommunale Badbetreiber anbieten, unterliegen also dem ermäßigten Steuersatz von 7 %. Ob dies auch z.B. für Aqua-Jogging- und Aqua-Fitness-Kurse gilt, kann nicht eindeutig beantwortet werden.

Üblicherweise neigt die Finanzverwaltung dazu, den Anwendungsbereich für den ermäßigten Steuersatz eher eng auszulegen. Daher erscheint es möglich, dass in einer Betriebsprüfung durch den Prüfer die Auffassung vertreten werden könnte, bei Aqua-Kursen gehe es ja nicht darum, zu schwimmen. Dies würde für die Anwendung des Regelsteuersatzes sprechen.

Andererseits ist zu berücksichtigen, dass der Umsatzsteuer-Anwendungserlass einige Beispiele an Leistungen, die nicht begünstigt sein sollen, ausdrücklich nennt. Dies ist etwa die Abgabe von Reinigungsbädern, die Lieferung von Seife und Haarwaschmitteln, die Vermietung von Liegestühlen und Strandkörben, oder die Zurverfügungstellung von Unterhaltungseinrichtungen wie Minigolf, Tischtennis, etc.. Aquakurse erscheinen im Vergleich dazu enger mit den Schwimmbadumsätzen verbunden zu sein, zumal die Kurse durchaus Schwimmelemente enthalten können. Daher erscheint es auch vertretbar, auch in diesem Fall eine begünstigte Leistung nach § 12 Abs. 2 Nr. 9 UStG anzunehmen.

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