Stromsteuerbefreiung nach § 9 Abs. 1 Nr. 3 Stromsteuergesetz
Stromsteuer: Keine Zusammenrechnung von Biogas- und Erdgasmotoren

Das Finanzgericht Hamburg hat vor kurzem eine wichtige Entscheidung zur Stromsteuerbefreiung für Strom aus Anlagen mit einer elektrischen Nennleistung bis 2 MW gefällt. Es geht um die für Energieversorgungsunternehmen wichtige Frage, unter welchen Voraussetzungen die elektrische Nennleistung verschiedener Stromerzeugungsanlagen zusammenzurechnen ist.

30.09.20

Strom, der in Anlagen mit einer elektrischen Nennleistung von weniger als 2 MW erzeugt wird, kann im räumlichen Zusammenhang zur Anlage (ca. 4,5 km) stromsteuerfrei an Letztverbraucher geleistet oder zum Eigenverbrauch entnommen werden. Was als eine Anlage anzusehen ist, ergibt sich u.a. aus § 12 b Stromsteuerverordnung, ohne dass der Begriff der Anlage selbst definiert ist. Demnach gelten mehrere unmittelbar miteinander verbundene Stromerzeugungseinheiten an einem Standort als eine Anlage zur Stromerzeugung. Als unmittelbar miteinander verbunden wiederum gelten insbesondere auch Anlagen in Modulbauweise, die sich im selben baulichen Objekt befinden.

Es ist zu beachten, dass der Bundesfinanzhof (BFH) bereits entschieden hat, dass der Begriff der Anlage aus dem EEG nicht in das Stromsteuerrecht übertragen werden kann. Somit besteht in der Praxis eine erhebliche Rechtsunsicherheit bei den Energieversorgungsunternehmen, welche Kriterien zur Auslegung des Anlagenbegriffs gelten.

Das in dem Ausgangsverfahren klagende Stadtwerk betrieb mehrere Anlagen (mehrere Motoren), die sich in demselben Gebäude befanden. Nach § 12 b StromStV würde es sich demnach um eine Anlage handeln, die elektrische Nennleistung der verschiedenen Motoren müsste zusammengerechnet werden. Konkret handelte es sich um zwei Rohbiogasmotoren mit einer gemeinsamen elektrischen Nennleistung von unter 2 MW und zwei Erdgasmotoren mit einer addierten elektrischen Gesamtnennleistung von mehr als 2 MW. Das Hauptzollamt war der Auffassung, der gesamte erzeugte Strom sei steuerpflichtig, denn die Nennleistung der Anlagen hätte nach § 12 b StromStV addiert werden müssen.

Das Finanzgericht allerdings folgte dem Stadtwerk und entschied, dass der Strom, der in den Biogasmotoren, hergestellt wurde, nach § 9 Abs. 1 Nr. 3 StromStG steuerbefreit sei. Der Grund hierfür sei nach Auffassung der Richter, dass sich die Rohbiogasmotoren in Technik und Funktion von den Erdgasmotoren grundlegend unterschieden. Nach technischer Auslegung und tatsächlicher Fahrweise der Rohbiogasmotoren stellten die Rohbiogasmotoren eine Grundlasteinheit in erster Linie für die Stromerzeugung und nachrangig für die Wärmeerzeugung dar. Bei den Erdgasmotoren verhalte sich das umgekehrt.

Energieversorger sollten prüfen, inwieweit sie von den Ausführungen dieser Entscheidung betroffen sind. Sollte noch keine Festsetzungsverjährung eingetreten sein bzw. der Vorbehalt der Nachprüfung noch nicht aufgehoben worden sein, können Betroffene eine Änderung der Steueranmeldung nach § 164 Abs. 2 AO beantragen. Korrekturfähig ist die Steueranmeldung für das Jahr 2019, in Ausnahmefällen auch die für das 2018.

Zu beachten ist, dass gegen das Urteil des FG die Revision beim BFH anhängig ist (VII R 30/19).