BEHG
CO2-Preis als Klimaschutzinstrument für die Abfallwirtschaft?

Die Frage, ob der CO2-Preis im Rahmen des Brennstoffemissionshandelsgesetzes ein geeignetes Klimaschutzinstrument für die Abfallwirtschaft ist oder nicht, beschäftigte eine prominent besetzte Podiumsdiskussion auf dem VKU-Bundeskongress am 04.05.2022 in Berlin.

09.05.23

Herr Dr. Uwe Neuser (Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz) vertrat die Auffassung, dass ein CO2-Preis auf die Verbrennung des fossilen Anteils der Abfälle konsequent sei und einen konkreten Anreiz für die Wiederverwendung von Produkten und Materialien schaffe. Die Setzung eines CO2-Preises sei dabei eine Maßnahme neben anderen, um den Klimaschutz in der Abfallwirtschaft zu fördern, aber keinesfalls die einzige. Grundsätzlich erkannte Herr Dr. Neuser an, dass die Betreiber der Verbrennungsanlagen per se nicht die eigentlichen Adressaten des Preismechanismus seien, da sie ja am Ende der Produktkette stünden. Dadurch, dass die Abfallwirtschaftsunternehmen über die Abfallgebühren die Mehrkosten den Bürgern in Rechnung stellten, könne jedoch von der Anreizwirkung ausgegangen werden, dass weniger Restmüll entstehe. Wie hoch der CO2-Preis sein müsse, damit tatsächlich eine merkliche Restabfallvermeidung erzielt werde, wurde offen gelassen. Durch die Einnahmen im Rahmen des BEHG könnten aber Mittel über den Transformationsfonds in Innovationsförderungen fließen, die zum Klimaschutz in der Abfallwirtschaft beitrügen.

Frau Sabine Schulz-Hammerl (AWM München) bezweifelte hingegen eine entsprechende Lenkungswirkung schon deshalb, weil die Abfälle, die bei den Müllverbrennungsanlagen ankämen, im Rahmen des kommunalen Entsorgungsauftrags behandelt werden müssten. Das Steigen der Gebühren belaste ferner alle Gebührenzahler gleichermaßen. Frau Schulz-Hammerl wies auf die Bemühungen der Stadt München im Rahmen ihrer Zero-Waste-Strategie hin. Diese bedeute, Verschwendung zu vermeiden, dies könne etwa durch Abfallvermeidung oder –verwertung erfolgen. Neben der Möglichkeit, Tonnengrößen zu reduzieren, um Anreize zu geben, weniger Restmüll zu produzieren, wies Frau Schulz-Hammerl auch darauf hin, dass Kapazitäten für die Müllverbrennung bei Bedarf auch verringert werden könnten. Dies könne im Gegenzug allerdings Konflikte auslösen mit der Bereitstellung von Energie etwa für die Fernwärme. Die Thermische Behandlungsanlage in München stelle etwa 20 % der Fernwärme in München zur Verfügung.

Herr Prof. Dr. Walter Frenz (RWTH Aachen) vertrat die Auffassung, dass der CO2-Preis bei der Abfallverbrennung fehl am Platz sei, auch aus dem Grund, weil bestimmte Abfälle (etwa medizinische Abfälle) zwingend verbrannt werden müssten. Hier bestehe ein Spannungsfeld zwischen Entsorgungspflicht und Klimaschutz. Insofern sei keine Lenkungswirkung erkennbar. Vielmehr sei zu befürchten, dass ein CO2-Preis in Deutschland zu einem verstärkten Export und zur Deponierung von Abfällen im Ausland führen könnte. Hierbei sei zu bedenken, dass die Abfallverbrennung in Deutschland mit einem CO2-Preis belegt werde, auf europäischer Ebene aber noch nicht. Wenn das BEHG Ende 2026 auslaufe, sei noch unklar, ob der Abfallsektor in den europäischen Emissionshandel (ETS 1) aufgenommen werde oder nicht. Da dies frühestens 2028 erfolgen werde, sei der Preismechanismus für die Müllverbrennung in Deutschland im Jahr 2027 vollständig ungeklärt. Was hingegen benötigt werde, sei eine langfristig angelegte und verlässliche Vorgehensweise. Der Beitrag der Abfallwirtschaft zum Klimaschutz sei vor allem in der Bereitstellung von Sekundärrohstoffen zu sehen.

Herr Bernhard Kemper (EEW Energy from Waste GmbH) hob insbesondere die Wettbewerbsverzerrungen hervor, die das Festlegen eines CO2-Preises für die Abfallverbrennung allein in Deutschland zur Folge hätte. Das Thema müsse europäisch einheitlich geregelt werden, um „Carbon Leakage“, also die Verlagerung von CO2-Emissionen ins Ausland, zu vermeiden. Eine dringliche Maßnahme für den Klimaschutz in der Abfallwirtschaft wäre, die Deponierung von Siedlungsabfällen in Europa nicht mehr durch Ausnahmeregelungen bis 2035 oder sogar bis 2040 zuzulassen. Mit Blick auf die Abscheidung von CO2 in Thermischen Behandlungsanlagen berichtet Herr Kemper von einem sehr hohen Invest in dreistelliger Millionenhöhe, der hierfür nötig sei.
Herr Malte Gallée (MdEP, Fraktion der Grünen / Freie Europäische Allianz) befürwortet die Anstrebung von Null-Emissionen in der Abfallwirtschaft, d.h. langfristig die „Abschaffung“ von Abfällen bzw. die Anerkennung von Abfällen als „Designfehler“. Hierzu werde die derzeit erarbeitete EU-Ökodesign-Verordnung einen Beitrag leisten. Auf die Frage nach der Nutzung von „Carbon Footprints“ als Maßstab wies Herr Gallée darauf hin, dass es das Konzept der Beurteilung von Produkten nach Product Environmental Footprints gebe, dieses sich aber in der Gesetzgebung bisher nicht niedergeschlagen habe. Wichtig sei es aus seiner Sicht, die Produkte im Kreislauf zu halten.

Alles in allem hat diese anregende Diskussion die Komplexität des Themas plastisch aufgezeigt und deutlich gemacht, dass mit der jüngsten Änderung des deutschen Brennstoffemissionshandelsgesetzes die Diskussion über die Sinnhaftigkeit eines CO2-Preises für die Abfallwirtschaft noch lange nicht beendet ist.