Ende Juli hat das Kabinett die Fortschreibung der Nationalen Wasserstoffstrategie beschlossen. Die Strategie ist ein wichtiger Schritt für den Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft, hat aber auch Schwachstellen.
Diese Wasserstoffstrategie kann die Energie- und Wärmewende voranbringen und die Energiesouveränität von Deutschland stärken.
Gut ist insbesondere, dass die heimischen und kommunalen Wasserstofferzeugungspotenziale besser genutzt werden sollen. Sinnvoll wäre dazu ein 1 GW-Elektrolyse-Schnellstartprogramm gewesen, um der lokalen und kommunalen Wasserstoffproduktion den entscheidenden Anschub zu geben. So ließen sich durch zusätzliche Ausschreibungen 1 GW bis 2025 erreichen.
Eine weitere Schwachstelle in der Strategie und weiteren Handlungsbedarf gibt es aber in der Versorgung von 1,8 Millionen Industrie- und Gewerbekunden, die an den Gasverteilernetzen angeschlossen sind. Sie brauchen zeitnah eine Dekarbonisierungsoption und damit Planungssicherheit für ihre Produktion in Deutschland.
Durchbruch für orangen Wasserstoff
Konkret verdoppelt die Bundesregierung das Elektrolyseziel für grünen Wasserstoff von 5 GW auf 10 GW aus heimischer Produktion. So stand es auch schon im Koalitionsvertrag. Dazu will sie neben der großskaligen auch die Erzeugung auf kommunaler Ebene unterstützen. Erstmals nennt sie Wasserstoff aus der Abfallentsorgung als Option (oranger Wasserstoff wird auf Basis von Abfall- und Reststoffen erzeugt). Gerade auf kommunaler Ebene sind noch Potenziale ungenutzt: Technisch kann zum Beispiel auch bei der Entsorgung von Abwasser und von Abfall Wasserstoff gewonnen werden, z.B. durch Elektrolyseure an Müllverbrennungsanlagen. Doch bisher ist der Status dieses Wasserstoffs unklar.
Es ist gut und richtig, dass die Bundesregierung den Wasserstoff aus den biogenen Anteilen des Abfalls als grün einstuft.
Im nächsten Schritt sollte aus VKU-Sicht auch das Erzeugungspotenzial der Abwasserentsorgung genutzt werden können, soweit dies technisch und wirtschaftlich möglich ist.
Wasserstoff für sichere Stromversorgung
Wasserstoff kann die Stromversorgung absichern kann. Denn sie wird durch immer mehr Erneuerbare Energien zunehmend volatil. Gerade für die Versorgungssicherheit braucht Deutschland neue zusätzliche wasserstofffähige Spitzenlastkraftwerke. Wasserstoff eignet sich hervorragend als Stabilisator.
Richtigerweise skizziert die Bundesregierung, dass sowohl der Standort der Elektrolyseure im Stromnetz als auch ihre Betriebsweise systemdienlich sein sollen. Künftig soll bei geringen Strompreisen Energie entnommen und bei hohen Preisen rückverstromt werden. Was noch fehlt, ist das passende Strommarktdesign. Auch diese Diskussion muss zügig zu Ergebnissen geführt werden.
Regulierungsbedarf bei den bestehenden Gasnetzen
Vor allem die Nutzung in der Industrie steht im Fokus. Es ist zwar richtig, dass die Bundesregierung darüber hinaus den politischen Kompromiss im Zusammenhang mit dem Gebäudeenergiegesetz (GEG) zur Nutzung von Wasserstoff in der Wärme nachvollzieht. Dennoch sind sowohl im Entwurf für das GEG wie in der Wasserstoffstrategie weiterhin viel Skepsis gegenüber Wasserstoff in der Wärme spürbar. Ob und in welcher Form Wasserstoff als Option genutzt werden könne, muss angesichts der Potenziale vor Ort entschieden werden. Zurecht verweist die Bundesregierung bei dieser Frage auf die kommunalen Wärmeplane. Mit deren Hilfe können Kommunen ermitteln, für welche Teile der Gasverteilernetze Wasserstoff eine sinnvolle Option sein wird. Aus VKU-Sicht sollten die Kommunen mit Blick auf die jeweiligen Bedingungen bei ihnen vor Ort entscheiden, ob es sinnvoll ist, das jeweilige Gasverteilernetz für Wasserstoff oder andere grüne Gase umzubauen, anders zu nutzen – zum Beispiel als Speicher zur Absicherung der Stromversorgung - oder außer Betrieb zu nehmen. Am wahrscheinlichsten ist dann ein Misch-Szenario für jedes Netz. Hierzu verweisen wir auf die Studie zu den regulatorischen Anpassungsbedarfe zur Transformation der Gasversorgung im Kontext der Wärmewende. Für den Ausstieg aus fossilem Erdgas und den Einstieg in klimaneutrale Gase wie Wasserstoff in den Verteilnetzen, aber auch für deren mögliche teilweise Stilllegung brauchen wir neue Regeln – unter anderem bei Abschreibungen, Nutzungsdauern oder Konzessionsverträgen, damit wir so schnell wie möglich den Umbau, die Umnutzung oder Stilllegung der Gasverteilernetze planen und entsprechende Investitionen anschieben können.
Unbundling auf EU-Ebene verhindern
Zugleich verweisen wir auf wichtige europäische Entscheidungen, die in Kürze getroffen werden. Denn für den Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft brauchen wir Unterstützung aus Brüssel. Die Pläne der EU-Kommission zum Unbunding, zur eigentumsrechtlichen Trennung von Gas- und Wasserstoffnetzen, wäre kein Rückenwind, sondern eine neue Hürde. Wir hoffen, dass die Bundesregierung sich mit dem heutigen Bekenntnis zum Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft nun gemeinsam mit dem EU-Parlament gegen die Unbundling-Pläne der Kommission stemmt. Wer heute Gasnetze betreibt, sollte auch morgen Wasserstoffnetze betreiben dürfen. Näheres zu unserer Position lesen Sie hier.