Aus der aktuellen Fassung des Schreibens der Generalzolldirektion (GZD) „Informationen zur steuerbegünstigten Entnahme von Strom zur Stromerzeugung nach § 9 Absatz 1 Nummer 2 Stromsteuergesetz“ vom 04.03.2021 geht hervor, dass die Zollverwaltung in allen offenen Fällen die Stromsteuerbefreiung nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 StromStG für stromerzeugende thermische Abfallbehandlungsanlagen (TAB) erheblich einschränken will.
Dem Vernehmen nach würden in allen noch offenen Fällen bis zu 90 % des Anlageneigenverbrauchs als stromsteuerpflichtig eingestuft. Die GZD beruft sich dabei hauptsächlich auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH). Sie hat dies mit dem Bundesministerium der Finan-zen (BMF) abgestimmt und will die Frage notfalls bis hin zum EuGH durch ein „Musterverfahren“ gerichtlich klären lassen. VKU, ITAD und BDSAV konnten sich mit der GZD darauf einigen, dass als Musterverfahren ein Fall dienen soll, der 90 % der stromerzeugenden TAB erfasst.
Rechtlicher Hintergrund, Auffassung und Vorgehen der Zollverwaltung
Nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 StromStG ist Strom, der zur Stromerzeugung entnommen wird, von der Stromsteuer befreit. Zur Stromerzeugung entnommen ist Strom u. a. dann, wenn er in Neben- und Hilfsanlagen verbraucht wird. Neben- und Hilfsanlagen sind u. a. insbesondere die Brennstoffversorgung oder Rauchgasreinigung. Die GZD vertritt nun aber die Auffassung, dass der überwiegende Teil der Neben- und Hilfsanlagen in einer TAB, insbesondere die Rauchgasreinigungsanlage, nicht der Stromerzeugung, sondern der thermischen Abfallbehandlung diene, welche der (wirtschaftliche) Hauptzweck einer TAB sei. Die GZD spricht insoweit von Sowieso-Entnahmen, also Stromentnahmen, die auch ohne Stromerzeugung sowieso in jeder TAB entstehen würden und daher nicht spezifisch mit der Stromerzeugung in einem engen technischen Zusammenhang stünden.
Nach Auffassung der GZD sei diese Einschränkung in Bezug auf stromerzeugende TAB aufgrund aktueller Entscheidungen der europäischen Gerichte geboten. Um die Betreiber von stromerzeugenden TAB gegen die mögliche Rückforderung der Steuerbefreiung 10 Jahre rückwirkend nebst Zinsen zu schützen, müsse die Stromsteuerbefreiung nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 StromStG eingeschränkt werden.
Gegensätzliche Auffassung von VKU, ITAD und BDSAV
Nach Auffassung der Verbände folgt aus den Entscheidungen der europäischen Gerichte aber nicht zwangsläufig, dass die bisherige Praxis der Finanzverwaltung beihilferechtswidrig sei, und ist das Risiko einer solchen Rückforderung als eher gering einzustufen. Die Auffassung der GZD steht auch im Widerspruch zur bisherigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs, nach der Strom dann zur Stromerzeugung entnommen wird, wenn er erforderlich ist, die Generatorleistung zu ermöglichen. Deshalb seien solche Neben- und Hilfseinrichtungen in die Begünstigung einzubeziehen, ohne die eine Stromerzeugungsanlage nicht betrieben werden kann. Dazu gehören auch solche Anlagenteile, ohne die eine Stromerzeugungsanlage u. a. nach den umweltrechtlichen Vorschriften oder Auflagen überhaupt nicht betrieben werden dürfte.
Weitere Vorgehensweise für Betroffene
Betreiber von stromerzeugenden TAB, bei denen bereits im Rahmen von Außenprüfungen vom zuständigen Hauptzollamt die Steuerbefreiung nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 StromStG gekürzt wurde, können gegen den Bescheid des Hauptzollamtes Einspruch einlegen.
Für die Steueranmeldung für das Jahr 2020 (Abgabefrist 31.05.2021) ist Folgendes zu beachten:
Die Steueranmeldung kann entweder zunächst entsprechend der Auffassung der GZD abgegeben werden. Die Stromsteuerbefreiung nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 StromStG würde dann in erheblich geringerem Umfang als in den Vorjahren geltend gemacht. Gegen die Steueranmeldung, die den Status eines Steuerbescheids hat, könnte dann Einspruch eingelegt werden. Steueranmeldung und Einspruch hiergegen können gemeinsam abgegeben werden. Die Verbände empfehlen diese Vorgehensweise – insbesondere den Betrieben, die im Rahmen von Außenprüfungen oder unmittelbar vom HZA aufgefordert wurden, Strommengen nach Haupt- und Nebenzweck der Anlage aufzuteilen.
Die zweite Möglichkeit bestände darin, die Steueranmeldung wie bisher abzugeben, allerdings aus Compliance-Gründen mit den Vorgaben aus dem Informationsschreiben der GZD in einem Begleitschreiben auf die Abweichungen zu den Vorgaben des neuen GZD-Schreibens hinzuweisen und exakt die Mengen aufzuschlüsseln, die nach Auffassung der GZD nicht mehr steuerbefreit sind. Gegen die darauffolgende Steuerfestsetzung müsste Einspruch eingelegt werden.
ITAD und BDSAV haben dazu in Zusammenarbeit mit dem VKU einen Argumentationsleitfaden erstellen lassen, der auch den Mitgliedern des VKU an dieser Stelle zugänglich gemacht wird.
Für Mitglieder stehen im mitgliedergeschützten Bereich weitere Informationen zum Download zur Verfügung.