§ 394 Aktiengesetz regelt Verschwiegenheitspflicht
Eingeschränkte Berichtspflicht kommunaler Aufsichtsräte an den Gemeinderat

Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) hat mit Urteil vom 18.09.2024 | Az.: 8 C 3.23 die Voraussetzungen der Freistellung von der Verschwiegenheitspflicht kommunaler Aufsichtsräte gem. § 394 des Aktiengesetzes (AktG) gegenüber Mitgliedern eines Gemeinderats näher festgelegt.

23.01.25

In dem zugrundeliegenden Fall hatte der Oberbürgermeister als Mitglied des Aufsichtsrats einer Aktiengesellschaft mit Beteiligung der Stadt den Antrag auf Einsichtnahme durch mehrere Fraktionen des Stadtrats in die Korrespondenz im Zusammenhang mit einer Sitzung des Aufsichtsrats unter Hinweis auf gesellschaftsrechtliche Verschwiegenheitspflichten abgelehnt.  In der sich anschließenden Klage hatte das Verwaltungsgericht den Beklagten verurteilt, die Einsichtnahme jedenfalls in Teile der betreffenden Unterlagen zu ermöglichen, soweit nicht Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse oder Informationen über vertrauliche Berichte oder Beratungen enthalten waren.

Im Berufungsverfahren hatte das Oberverwaltungsgericht (OVG Münster, Urteil vom 12.12.2022 | Az: 15 A 2689/20) sodann das Einsichtsrecht eingeschränkt auf namentlich genannte Ratsmitglieder und den Anspruch auf Akteneinsicht damit begründet, dass den Klägerinnen ein Anspruch auf Akteneinsicht gegen den Beklagten nach § 55 Abs. 4 S. 1 der Gemeindeordnung (GO NRW) zusteht. Das Akteneinsichtsrecht bestehe nicht unbegrenzt. Die gesellschaftsrechtliche Verschwiegenheitspflicht des Beklagten als Aufsichtsratsmitglied stehe dem Anspruch jedoch nicht entgegen. Diese Pflicht sei durch § 394 AktG gegenüber den Klägerinnen aufgehoben. § 113 Abs. 5 S. 1 GO NRW stelle eine geeignete Berichtspflicht i.S.v. § 394 AktG dar. § 394 AktG verlange nicht, dass entsprechende Berichtspflichten ein besonderes Maß an Vertraulichkeit gewährleisten. Wer Berichtsempfänger sei, müsse das Organisationsrecht der Gebietskörperschaft bestimmen.

Aus § 395 Abs. 1 AktG folge, dass Berichtsempfänger nur sein könne, wer selbst zur Verschwiegenheit verpflichtet sei. Das könne auch auf Gemeinde- bzw. Stadträte zutreffen. Denn die Verantwortlichkeit für Entscheidungen über Beteiligungen von Kommunen an Gesellschaften in Privatrechtsform betreffe regelmäßig den Rat. Die rechtliche Verpflichtung der Ratsmitglieder zur Verschwiegenheit durch die Gemeindeordnung sei gewährleistet und lasse sich durch flankierende Vorkehrungen wie Beratung in nichtöffentlicher Sitzung oder Delegation auf einen Ausschuss hinreichend sicherstellen.

Das BVerwG hat die Revision des Beklagten zurückgewiesen und nach umfassender Auslegung des § 394 AktG die Ansicht des OVG bestätigt. Berichte des Aufsichtsrats dürften nur an diejenigen Personen gerichtet werden, welche die Beteiligung der Gebietskörperschaft verwalten oder prüfen, so § 395 Abs. 1 AktG. Das mit §§ 394 f. AktG verfolgte Regelungsziel, dem Interesse der Gebietskörperschaft an einer effektiven Beteiligungsverwaltung und -prüfung Rechnung zu tragen, schließe die Wahrnehmung demokratischer Kontrolle durch das zuständige Gemeindeorgan ein. Andernfalls käme das durch § 394 AktG anerkannte Informationsinteresse der Gebietskörperschaft nicht in ausreichendem Maße zur Geltung. Auch bei Beteiligung an privaten Unternehmensformen unterliege die öffentliche Hand demokratischer Kontrolle. Deren effektive Wahrnehmung sei nur gewährleistet, wenn dem zuständigen Kontrollorgan die nötigen Informationen zur Verfügung gestellt würden.

Nach dem Urteil des BVerwG kann ein entsprechendes Informationsbegehren seitens einer Ratsfraktion somit nicht vollständig unter Hinweis auf fehlende Vertraulichkeit bei Informationsweitergabe an den Stadtrat abgelehnt werden. Das BVerwG betont allerdings auch, dass die §§ 394 f. AktG nicht eine allgemeine Lockerung von Verschwiegenheitspflichten vorsehen. Vielmehr würden auch die Empfänger von Berichten im Sinne der §§ 394 f. AktG zur Verschwiegenheit verpflichtet. Eine Kommune und insbesondere die Gemeindevertretung müsste diese Verschwiegenheit selbst organisieren, etwa durch Verpflichtungen zur Verschwiegenheit der Ratsmitglieder, durch Beschränkung der betreffenden Information auf wesentliche, unkritische Inhalte sowie schließlich durch Behandlung in kleinen, vertraulichen Gremien, z. B. in Ausschüssen und in nicht-öffentlicher Sitzung.