Energiepreise
Kammergericht Berlin stellt BGH-Rechtsprechung zur sog. Dreijahres-Lösung in Frage

Das Kammergericht (KG) Berlin hat in einem anhängigen Verfahren über die Rechtsfolgen der Unwirksamkeit einer Preisänderungsklausel in einem seit 2012 bestehenden zivilrechtlichen Fernwärmelieferungsvertrag erhebliche Zweifel an der europarechtlichen Konformität der BGH-Rechtsprechung zur sog. Dreijahres-Lösung geäußert.

20.01.25

Nach Auffassung des KG bestehen weder durch die Richtlinie 93/13/EWG über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen noch durch die bisherige Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zu diesen Vorschriften geklärte Zweifel, ob diese Vorschriften so ausgelegt werden können, dass die gerichtliche Praxis, bei Wegfall einer missbräuchlichen Preisänderungsklausel in einem langjährigen Energielieferungsverträgen diesen Vertrag ergänzend dahin auszulegen, dass der drei Jahre vor der ersten Beanstandung durch den Verbraucher durch Preiserhöhungen aufgrund der missbräuchlichen Klausel erreichte Preis an die Stelle des vertraglich vereinbarten Ausgangspreises treten soll, mit ihnen vereinbar ist.

Das KG hat daher mit Beschluss vom 10.12.2024 (Az.: 9 U 1087/20) dem EuGH zur Auslegung der der Richtlinie 93/13/EWG mehrere Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

So will das KG Berlin wissen, ob die Richtlinie 93/13/EWG dahin auszulegen ist, dass ihnen nationale Regelungen oder eine auf nationale Regelungen gestützte gerichtliche Praxis entgegenstehen, wonach bei langjährigen Energielieferungsverträgen, bei denen der Kunde längere Zeit Preiserhöhungen unbeanstandet hingenommen hat und nun auch für länger zurückliegende Zeitabschnitte die Unwirksamkeit der Preiserhöhungen geltend macht, die durch die Unwirksamkeit oder die unwirksame Einbeziehung einer Preisanpassungsklausel entstandene Regelungslücke regelmäßig im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung dadurch geschlossen wird, dass der Kunde die Preiserhöhungen, die zu einem den vereinbarten Anfangspreis übersteigenden Preis führen, nicht geltend machen kann, wenn er sie nicht innerhalb eines Zeitraums von drei Jahren nach Zugang der jeweiligen Jahresabrechnungen, in der die Preiserhöhung erstmals berücksichtigt worden ist, beanstandet hat

Weiterhin will das KG wissen, ob die Richtlinie dahin auszulegen ist, dass ihnen nationale Regelungen oder eine auf nationale Regelungen gestützte gerichtliche Praxis entgegenstehen, wonach langjährige Energielieferungsverträge, bei denen der Kunde längere Zeit Preiserhöhungen aufgrund einer unwirksamen oder nicht wirksam in den Vertrag einbezogenen Preisänderungsklausel unbeanstandet hingenommen hat und nun auch für länger zurückliegende Zeitabschnitte die Unwirksamkeit der Preiserhöhungen geltend macht, als unwirksam anzusehen sind.

Schließlich stellt das KG die Frage, ob die Richtlinie dahin auszulegen ist, dass ihnen nationale Regelungen oder eine auf nationale Regelungen gestützte gerichtliche Praxis entgegenstehen, wonach ein Fernwärmeversorgungsunternehmen berechtigt und - soweit das Kundeninteresse dies erfordert - verpflichtet ist, eine von ihm gegenüber Endkunden verwendete - von Vertragsbeginn an unwirksame oder ab einem bestimmten Zeitpunkt danach unwirksam gewordene - Preisänderungsklausel auch während des laufenden Versorgungsverhältnisses mit Wirkung für die Zukunft einseitig anzupassen, wenn und soweit dadurch sichergestellt wird, dass die Klausel dann wirksam ist.

Mit einer Entscheidung des EuGH über diese Fragen dürfte voraussichtlich erst ab 2026 zu rechnen sein.