EU-Kommission beschließt Freistellung
Kein Vergaberecht mehr bei Aufträgen im Zusammenhang mit der Erzeugung von EEG-Strom
Die Europäische Kommission hat mit Durchführungsbeschluss (EU) 2023/1978 vom 21.09.2023 bestimmte Aufträge von Sektorenauftraggebern im Zusammenhang mit der Erzeugung von Strom und dem Großhandel mit Strom aus erneuerbaren Energiequellen in Deutschland von der Anwendung des Vergaberechts freigestellt.
14.11.23
Die Europäische Kommission hat mit Durchführungsbeschluss (EU) 2023/1978 vom 21.09.2023 bestimmte Aufträge von Sektorenauftraggebern im Zusammenhang mit der Erzeugung von Strom und dem Großhandel mit Strom aus erneuerbaren Energiequellen in Deutschland von der Anwendung des Vergaberechts freigestellt.
Die Freistellungsentscheidung wurde am 17.10.2023 im Bundesanzeiger bekanntgegeben und kann daher nun angewendet werden. Der Freistellungsantrag war bereits am 13.04.2023 vom BDEW gestellt worden. Am 15.06.2023 hatte zudem die Ørsted A/S beantragt, die Erzeugung von Strom und den Großhandel mit Strom aus Offshore-Windparks in Deutschland freizustellen.
Rechtliche Grundlage für die Freistellung sind Art. 34, 35 der Richtlinie 2014/25/EU (sog. Sektorenrichtlinie) sowie § 140 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) und § 3 der Sektorenverordnung (SektVO). Nach § 140 Abs. 1 GWB können solche Aufträge freigestellt werden, „die zum Zweck der Ausübung einer Sektorentätigkeit vergeben werden, wenn die Sektorentätigkeit unmittelbar dem Wettbewerb auf Märkten ausgesetzt ist, die keiner Zugangsbeschränkung unterliegen.“
In Folge der Freistellungsentscheidung müssen bei Beschaffungen, die den vorgenannten Tätigkeiten dienen, die vergaberechtlichen Vorgaben in §§ 97 ff. GWB sowie in der SektVO künftig nicht mehr angewendet werden.
Die Freistellung betrifft Aufträge im Zusammenhang mit der Stromerzeugung und dem Stromgroßhandel nach Art. 9 Abs. 1 lit. b) der Richtlinie 2014/25/EU. Vorliegend geht es nur um Strom aus erneuerbaren Energiequellen. Soweit es um die Erzeugung und den Großhandel von Strom aus konventionellen Quellen geht, ist der Durchführungsbeschluss der Kommission (2012/218/EU) vom 24.04.2012 anzuwenden.
Entsprechende Sektorenaufträge im Bereich der Stromerzeugung werden vor allem durch Elektrizitätsversorgungsunternehmen durchgeführt. Aber auch (andere) öffentliche Auftraggeber, die Strom in ein Netz zur Versorgung der Allgemeinheit einspeisen (vgl. § 102 Abs. 2 Nr. 2 GWB), können grundsätzlich in den Anwendungsbereich des Beschlusses fallen.
Der Freistellungsbeschluss betrifft nach dessen Art. 1 Beschaffungen im Zusammenhang mit Anlagen zur Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Energiequellen, soweit diese im Wege der Direktvermarktung gefördert werden. Dies betrifft sowohl die Direktvermarktung mit gesetzlich bestimmtem anzulegendem Wert (vgl. § 3 Nr. 3 Erneuerbare-Energien-Gesetz - EEG) als auch die Direktvermarktung mit durch Ausschreibung durch die Bundesnetzagentur bestimmtem anzulegenden Wert. Ebenfalls gilt der Beschluss für Anlagen, die der sonstigen Direktvermarktung nach § 21a EEG unterliegen, sowie für ausgeförderte Anlagen nach § 3 Nr. 3a EEG.
Nicht freigestellt werden nach Art. 2 des Beschlusses Anlagen zur Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Energiequellen, soweit diese einem festen Einspeisetarif (vgl. § 19 Abs. 1 Nr. 2 EEG, § 21 Abs. 1 Nr. 1, 2 und 3 EEG) oder dem Mieterstromzuschlag (vgl. § 19 Abs. 1 Nr. 3 EEG, § 21 Abs. 3 EEG) unterliegen.
Für Anlagen zur Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Energiequellen, die vor dem 01.08.2014 in Betrieb genommen wurden und für die grundsätzlich die Option der festen Einspeisevergütung besteht, kommt die Freistellung nicht zur Anwendung. Letzteres gilt auch für Kleinanlagen mit Inbetriebnahme nach dem 01.08.2014 mit einer Leistung < 100 kW (bzw. bei Inbetriebnahme bis Ende 2015 < 500 kW), die weiterhin einen Anspruch auf feste Einspeisevergütung haben.
Welche konkreten Beschaffungsgegenstände unter die Freistellung fallen, regelt der Beschluss nicht. Erforderlich für eine Freistellung von der Anwendbarkeit des Vergaberechts ist lediglich, dass die jeweilige Beschaffung die vorgenannten Tätigkeiten, d. h. die Erzeugung von Strom und den Großhandel mit Strom aus erneuerbaren Energiequellen, ermöglichen soll. Das gilt zunächst für die Beschaffung der o. g. Anlagen, aber auch für deren Wartung, Reparatur, den Netzanschluss oder etwaige Planungsleistungen. Auch andere Beschaffungsvorgänge können freigestellt werden, wenn ein hinreichender Zusammenhang mit der Erzeugung von Strom oder dem Großhandel mit Strom aus erneuerbaren Energiequellen in Deutschland besteht.
Bei „gemischten Aufträgen“, die auch andere Tätigkeiten betreffen, die weiterhin dem Vergaberecht unterliegen, ist im Einzelfall zu prüfen, ob Vergaberecht anzuwenden ist. Eine Beschaffung ohne Anwendung des Vergaberechts kommt immer dann in Betracht, wenn der Auftrag in erster Linie freigestellte Tätigkeiten betrifft. Kann nicht festgestellt werden, dass der Hauptgegenstand des Auftrags freigestellte Tätigkeiten betrifft, so muss eine Ausschreibung nach dem Vergaberecht erfolgen.