Urteil des OLG Düsseldorf
Marktlokationen sind nicht ohne Weiteres dem Grundversorger zuzuordnen

Marktlokationen oberhalb der Niederspannung, die keinem Energielieferanten zugeordnet werden können, sind nicht ohne Weiteres dem Grund- und Ersatzversorger zuzuordnen. Das hat das OLG Düsseldorf mit Urteil vom 02.03.2023 l Az.: 5 U 1/22 entschieden. Das Urteil ist nicht rechtskräftig, die Revision zum BGH wurde zugelassen.

13.03.23

Nach BGH-Rechtsprechung folge aus der Wertung der §§ 36, 38 EnWG, dass Marktlokationen in der Niederspannung, die keinem Energielieferanten zugeordnet werden können, dem Grund-/Ersatzversorger bilanziell zuzuordnen sind, auch ohne Grundversorgungsvertrag oder Ersatzversorgungsverhältnis. Dies gilt laut einem aktuellen Urteil des OLG Düsseldorf vom 02.03.2023 l Az.: 5 U 1/22 nicht für Marktlokationen oberhalb der Niederspannung. Im Rahmen dieser Entscheidung musste sich das Gericht mit Fragen der Zuordnung von oberhalb der Niederspannung befindlichen Marktlokationen nach dem Ausfall eines vertraglichen Stromlieferanten befasst. Die Klägerin ist eine Stromlieferantin, die gegen einen Stromnetzbetreiber und dem konzernrechtlich mit diesem verbundenen Grund-/Ersatzversorger (Beklagte) Unterlassungs-, Beseitigungs- und Schadensersatzansprüche geltend machte. Nach Auffassung der Klägerin stelle die nach Ausfall/Insolvenz eines Stromlieferanten zum Grund-/Ersatzversorger erfolgte Zuordnung von fünf verschiedenen Letztverbrauchern, die als Gewerbebetriebe an das Mittelspannungsnetz angeschlossen waren, einen energiewirtschafts- und wettbewerbsrechtlichen Verstoß der Beklagten dar. Das LG Dortmund hatte die Klage erstinstanzlich abgewiesen. Auf Berufung der Klägerin hin hat das OLG Düsseldorf dieses Urteil teilweise abgeändert und neu gefasst. Das Urteil ist nicht rechtskräftig, die Revision zum BGH wurde zugelassen.

Die OLG-Entscheidung enthält grundlegende energierechtliche Aussagen. So setze nach Auffassung des OLG bei Ausfall des vertraglichen Lieferanten im Rahmen der Versorgung in einer höheren Spannungsebene - und damit außerhalb der Ersatz- und Grundversorgung - eine Weiterbelieferung eine entsprechende vertragliche Vereinbarung zwischen dem Letztverbraucher und dem Versorger voraus. Der Letztverbraucher könne entweder vorsorglich einen (aufschiebend bedingten) Ersatzbelieferungsvertrag oder nach Eintritt der Zuordnungslücke unverzüglich einen neuen Stromliefervertrag schließen. Kann der Strombezug eines solchen Letztverbrauchers dagegen keinem bestimmten Lieferanten oder Liefervertrag zugeordnet werden, dürfe er grundsätzlich nicht dem Bilanzkreis des örtlich zuständigen Grund- und Ersatzversorgers zugeordnet werden, weil § 38 EnWG weder direkt noch entsprechend anwendbar sei und es an einer zivilrechtlichen Anknüpfung für die bilanzielle Zuordnung der Marktlokation zu dessen Bilanzkreis fehle. Eine gleichwohl erfolgende Zuordnung zum Grund- und Ersatzversorger verstoße gegen das Diskriminierungsverbot des § 20 Abs. 1 EnWG und die GPKE. Ist der Grund- und Ersatzversorger mit dem Netzbetreiber konzernrechtlich verbunden, liege in der Weitergabe der Daten des Letztverbrauchers zusätzlich ein Verstoß gegen die Regelungen zur sogenannten informatorischen Entflechtung (Unbundling), insbesondere gegen das Vertraulichkeitsgebot des § 6a Abs. 1 EnWG. Bei den Angaben zu den Marktlokationen von Letztverbrauchern und der Information, dass die Stromversorgung der Marktlokation ab einem bestimmten Zeitpunkt nicht durch einen Lieferanten sichergestellt ist, handle es sich um wirtschaftlich sensible Information, deren Kenntnis Grund-/Ersatzversorger in die Lage versetzte, den betreffenden Letztverbrauchern Vertragsangebote für eine Ersatzbelieferung sowie auch für eine längerfristige Belieferung mit Strom zu Sonderkonditionen zu unterbreiten. Zu diesem Zweck habe eine Weitergabe der Informationen jedoch nicht erfolgen dürfen.

Die Beklagten hatten vergeblich versucht, den Abschluss eines Stromliefervertrags für die betroffenen Marktlokationen über den Anschlussnutzungsvertrag zu konstruieren. Das Recht zur Zuordnung der Marktlokationen zum Bilanzkreis des Grund-/Ersatzversorgers folge nach Auffassung des OLG aber nicht aus den zwischen den Letztverbrauchern und dem Stromnetzbetreiber geschlossenen Anschlussnutzungsverträgen. Eine lediglich in Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Netzbetreibers vorbehaltene Ermächtigung, die Entnahmestelle eines Letztverbrauchers im Falle des Auftretens einer Versorgungslücke an den zuständigen Grund- und Ersatzversorger zu melden und sie dessen Bilanzkreis zuzuordnen, sei diskriminierend und verstoße gegen § 20 Abs. 1 EnWG, da Grund- und Ersatzversorgern außerhalb des Anwendungsbereichs der Grund- und Ersatzversorgung keine besseren Rechte zukämen, als ihren Wettbewerbern.

Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Es ist davon auszugehen, dass die Beklagten Revision zum BGH einlegen und dieser sich mit dem Sachverhalt befassen wird. Mit einer Entscheidung des BGH könnte dann vermutlich erst im kommenden Jahr zu rechnen sein.