Konzessionsvergabe
Preisgünstige Netzentgelte zulässiges Kriterium im Konzessionsvergabeverfahren

Das OLG Karlsruhe hat mit Urteil vom 12.06.2024 entschieden, dass eine Gemeinde zulässigerweise die preisgünstigen Netzentgelte im Konzessionsgebiet als Kriterium der Konzessionsvergabe wählen kann.

30.09.24

Mit diesem Urteil hat das OLG Karlsruhe in einem Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes entschieden, dass es zulässig ist, bei der Neuvergabe der Wegenutzungsrechte für den Betrieb des Gasversorgungsnetzes der allgemeinen Versorgung, dass die Gemeinde mit einem Auswahlkriterium „Preisgünstige Versorgung“ ein Angebot umso besser zu bewertet, je niedriger die prognostizierten Netznutzungsentgelte und Netzanschlusskosten jeweils betreffend das kommunale Netzgebiet sind.

Die Gemeinde hatte in dem Verfahren zur Neuvergabe der Wegenutzungsrechte den interessierten Unternehmen einen Kriterienkatalog zukommen lassen. Danach sind in der Bewertung nach den Auswahlkriterien insgesamt 1.000 Punkte erreichbar, von denen auf das Kriterium 2 „Preisgünstige Versorgung“ 150 Punkte entfallen, davon auf das Unterkriterium 2.1 „Netznutzungsentgelte“ 120 Punkte und auf das Unterkriterium 2.2 „Netzanschlusskosten“ 30 Punkte (Kriterienkatalog, S. 5 f). Zum Unterkriterium 2.1 „Netznutzungsentgelte“ erläutert der Kriterienkatalog (unter III., dort S. 13 ff) die geforderte Abgabe von Preisblättern mit (plausibel) für einen dort angegebenen Zeitraum prognostizierten Netznutzungsentgelten für das Konzessionsgebiet durch die Bieter für drei verschiedene Abnahmefälle als Unter-Unterkriterien 2.1.1 bis 2.1.3 (Haushalt, Mehrfamilienhaus, Gewerbe) unter bestimmten vorgegebenen Prämissen und deren beabsichtigte Bewertung durch die verfahrensleitende Stelle anhand der Summe der je Abnahmefall prognostizierten Netznutzungsentgelte. Zum Unterkriterium 2.2 „Netzanschlusskosten“ erläutert der Kriterienkatalog (unter III., dort S. 17 f) die geforderte Einreichung von für denselben Zeitraum (plausibel) prognostizierten Netzanschlusskosten für Letztverbraucher im ausgeschriebenen Konzessionsgebiet betreffend einen vorgegebenen Standard-Netzanschluss durch die Bieter und deren beabsichtigte Bewertung durch die verfahrensleitende Stelle anhand dieser Prognosen. Zu beiden Unterkriterien ist jeweils bestimmt, dass der niedrigste angebotene Preis der beste Wert sein soll.

Die Klägerin machte mit Rüge geltend, dass das Kriterium 2. „Preisgünstige Versorgung“ mit den Unter- und Unter-Unterkriterien intransparent, sachwidrig und diskriminierend sei sowie weder mit den Zielen des § 1 Abs. 1 EnWG noch mit dem höherrangigen Unionsrecht vereinbar sei. Sach- und Unionsrechtswidrig sei, dass die Gemeinde als Auswahlkriterien Netzentgelte und Netzanschlusskosten abfrage und damit auf diese maßgeblichen Kernbestandteile des regulatorischen Ziels der Preisgünstigkeit Einfluss nehme. Die Gemeinde half dieser Rüge nicht ab, die Klägerin erhob einen Antrag auf einstweilige Verfügung, mit dem sie sich gegen die Fortsetzung des Konzessionsverfahrens ohne Abhilfe zur Rüge wandte. Sie macht geltend, der von den Gemeinden administrierte Unterbietungswettbewerb über die Höhe der künftigen örtlichen Netzentgelte trete unter einer abweichenden Zielrichtung neben die Netzentgeltregulierung durch die Regulierungsbehörde, untergrabe deren Wirkung und laufe damit der unionsrechtlich determinierten alleinigen Regulierungszuständigkeit der für die Entgeltregulierung zuständigen unabhängigen Regulierungsbehörde zuwider.

Das OLG bestätigte das Urteil der Vorinstanz, die die einstweilige Verfügung nicht gewährte. Das OLG stellte auf folgende Gesichtspunkte ab: Bei der Formulierung und Gewichtung der Auswahlkriterien für die Konzessionsvergabe durch Konkretisierung, Gewichtung und Abwägung der energiewirtschaftsrechtlichen Einzelziele gegeneinander und der hieran knüpfenden Bewertung der Bieterangebote stehe der Gemeinde als Ausfluss ihrer durch Art. 28 Abs. 2 GG gewährleisteten Planungshoheit ein weiter (Beurteilungs-/Bewertungs-/Entscheidungs-/Ermessens-)Spielraum zu. Hierbei könne die Gemeinde den Anforderungen des jeweiligen Netzgebiets Rechnung tragen (§ 46 Abs. 4 Satz 3 EnWG) und unter Wahrung der netzwirtschaftlichen Anforderungen auch die Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft berücksichtigen (§ 46 Abs. 4 Satz 2 EnWG). Der Spielraum der Gemeinde sei nur daraufhin überprüfbar, ob von keinem unzutreffenden oder unvollständigen Sachverhalt ausgegangen worden sei, keine sachwidrigen Erwägungen eingeflossen seien, der Spielraum diskriminierungsfrei wahrgenommen worden sei und sich Wertungsentscheidungen auch im Übrigen im Rahmen der Gesetze und allgemein gültigen Beurteilungsmaßstäbe hielten. Die Zuschlagskriterien der Gemeinde müssten danach insbesondere objektiv und ohne Unterschied auf alle Angebote anwendbar sein und einen Bezug zum Netzbetrieb haben bzw. die netzwirtschaftlichen Anforderungen wahren, wobei namentlich die Gewichtung der Zuschlagskriterien sachgerecht an den Zielen des § 1 EnWG orientiert sein müsse, die die Gemeinde gegebenenfalls unter Berücksichtigung der örtlichen Verhältnisse konkretisieren könne. Der bei der Bestimmung der Kriterien bestehende Spielraum der Gemeinde werde dort überschritten, wo die Bedeutung eines Kriteriums in der Ausschreibungsgewichtung so grundlegend von dessen Bedeutung nach den energiewirtschaftsrechtlichen Zielsetzungen abweiche, dass daraus eine Verkennung des Kriteriums offenkundig werde, weil von einer angemessenen Bewertung auch im Lichte des Spielraums nicht mehr ausgegangen werden könne. Demnach sei es zumindest sachgerecht, die Auswahl des Netzbetreibers unter anderem an dem Ziel auszurichten, zumindest möglichst geringe Netznutzungsentgelte für das Konzessionsgebiet und (gegebenenfalls zusätzlich) möglichst geringe Netzanschlusskosten für Letztverbraucher im ausgeschriebenen Konzessionsgebiet zu erreichen. Dabei könne und dürfe die Gemeinde bei der Konzessionsvergabe auf die Preisgünstigkeit der Energieversorgung nur in dem zur Vergabe anstehenden Gebiet abheben. Dies entspreche der kartellrechtlichen Fokussierung bei der gemeindlichen Auswahlentscheidung auf das Gemeindegebiet. Die Gemeinde habe lediglich im Gemeindegebiet für einen Wettbewerb um das beste Netz Sorge zu tragen. Dass bei der Berücksichtigung von Netzentgelten vom Ausgangspunkt her ein Nachteil für diejenigen Unternehmen bestehen könne, die überwiegend in der Fläche tätig seien, gegenüber denjenigen, deren Netzgebiet in Ballungsräumen liege, stehe dem nicht entgegen. Dieser Nachteil gründe ausschließlich in der eigenen Netzstruktur des Bieters und der hieran anknüpfenden regulatorischen Bestimmung des Netzentgelts im Weg der Anreizregulierung nach der Obergrenze der zulässigen auf den Bieter als Netzbetreiber bezogenen Gesamterlöse unter Erfassung der Durchschnittskosten aller Verteilnetze des Bieters.

Das OLG sah auch keine Veranlassung zu einer Vorlage der Frage an den EuGH, ob diese Auslegung mit der Gasrichtlinie vereinbar ist.