Bund und Länder haben heute eine weitere Hürde im Vertragsverletzungsverfahren wegen der unzureichenden Umsetzung der EU-Nitratrichtlinie in deutsches Recht genommen. Der Bundesrat hat der neuen Verwaltungsvorschrift zur Ausweisung nitratbelasteter Gebiete zugestimmt. Dies war erforderlich, da die EU-Kommission die ursprüngliche Ausweisung abgelehnt und die erneute Anrufung des Europäischen Gerichtshofs angekündigt hatte.
Die neuen Vorgaben sind ein wichtiger Schritt hin zu einem besseren Schutz unserer Trinkwasserressourcen. Die Ausweisung der sogenannten „roten Gebiete“ wird richtigerweise auf eine breitere Datenbasis gestellt. Mit der Aufnahme des Nitratabbauvermögens des Grundwasserkörpers wird eine wesentliche Forderung des VKU umgesetzt.
Nach ersten Berechnungen der Länder wird sich die Gebietskulisse deutschlandweit bei Nitrat von derzeit rund 2,0 Millionen auf etwa 2,9 Millionen Hektar landwirtschaftlich genutzter Fläche vergrößern. Dies entspricht einer Zunahme der Fläche der sogenannten "roten Gebiete" von rund 45 Prozent. Nach der Binnendifferenzierung von 2020 hätten die Länder fast 3,5 Millionen Hektar als "rote Gebiete" einstufen müssen.
Nun ist es Aufgabe der Länder, ihre Gebietskulisse auf Basis der Verwaltungsvorschrift über eine Anpassung der Landesdüngeverordnung anzupassen. Die EU-Kommission hat angekündigt, die weitere Umsetzung weiterhin streng zu überwachen. Ein Abschluss des Vertragsverletzungsverfahrens ist damit weiterhin nicht gegeben.
Die Regelungen im Einzelnen
Bund und Länder haben sich mit der „Neufassung der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Ausweisung von mit Nitrat belasteten und eutrophierten Gebieten“ auf folgendes Verfahren zur Gebietsausweisung verständigt:
- Der emissionsbasierte Ansatz über die sogenannte Modellierung, das heißt die Berücksichtigung der landwirtschaftlichen Bewirtschaftung wird gestrichen, da sie aus Sicht der EU-Kommission nicht mit der Nitratrichtlinie vereinbar ist.
- Es wird ein einheitliches Verfahren zur Binnendifferenzierung mit einem mehrstufigen Ansatz eingeführt. Ziel ist ein geostatistisches Regionalisierungsverfahren ab 2028, das nach heutigem Stand das wissenschaftlich fundierteste Verfahren ist.
- Als Ausgangspunkt für die Ausweisung der roten Gebiete soll ein von den Ländern bis 2024 noch deutlich zu verdichtendes Ausweisungsmessnetz dienen. Dieses baut auf den vorhandenen Messstellen der bereits eingerichteten Messnetze auf, wie dem Messnetz der Wasserrahmenrichtlinie und dem der Europäischen Umweltagentur (EUA) sowie dem Nitrat-Messnetz. Daneben sollen die Länder weitere Messstellen berücksichtigen, wie insbesondere Messstellen von Trinkwassergewinnungen.
- Bislang können nicht alle Länder das geostatistische Verfahren umsetzen, da dort noch Messstellen gebaut werden müssen. Da dies Zeit benötigt, soll hierfür eine Übergangsfrist bis 2028 gelten. Bis dahin dürfen auch andere Verfahren zur Anwendung kommen. Allerdings dürfen die Länder nicht wie bisher mehrere Verfahren gleichzeitig anwenden. Das heißt: Sie müssen sich für ein einziges Verfahren entscheiden.
- Zudem wird bei der Ausweisung der mit Nitrat belasteten Grundwasserkörper klargestellt, dass neben der Überschreitung des Parameters Nitrat bzw. der Feststellung eines steigenden Trends auch denitrifizierende Verhältnisse zu berücksichtigen sind. Dies ist eine zentrale Forderung des VKU. Dadurch soll der Tatsache Rechnung getragen werden, dass die Denitrifikationskapazität der Grundwasserkörper endlich ist. Die Regelung verweist auf die Berechnung der Nitratkonzentration nach der bestverfügbaren Methode in Verbindung mit einer Anpassung der Grundwasserverordnung. Diese Verordnungsänderung befindet sich noch in der Abstimmung.
- Es ist auch sicherzustellen, dass jede Messstelle des Ausweisungsmessnetzes und jede Zusatzmessstelle, an der eine Überschreitung des Schwellenwerts oder ein steigender Trend von Nitrat bei einer Nitratkonzentration von mindestens 37,5 Milligramm Nitrat je Liter festgestellt wurde, innerhalb eines mit Nitrat belasteten Gebiets liegt.
Hintergrund
Die Bundesländer sind nach der Düngeverordnung verpflichtet, zum Schutz der Gewässer vor Verunreinigung mit Nitrat belastete Gebiete und eutrophierte Bereiche auszuweisen. Nach dem Willen der EU-Kommission regelt die Neufassung der Verwaltungsvorschrift zur Gebietsausweisung nun bundeseinheitlich nach einer Übergangszeit (bis 2028) die verpflichtende Einführung eines geostatistischen Ausweisungsverfahrens. Zudem sah die Kommission die Möglichkeit der emissionsbasierten Ausweisung (Modellierung) als nicht mit der EU-Nitratrichtlinie vereinbar an.
Der heute verabschiedeten Neufassung der Verwaltungsvorschrift zur Gebietsausweisung hatte die EU-Kommission Ende Mai 2022 zugestimmt und eine zeitnahe Verabschiedung und Umsetzung durch die Bundesländer angemahnt. Das Antwortschreiben der EU-Kommission an Staatssekretärin Bender (BMEL) und Staatssekretär Tidow (BMUV) zeigt den Spielraum, den Deutschland hat.