Abfallverbrennung, Immissionsschutz
Novelle der 17. BImSch-Verordnung vor dem Abschluss
Nach dem Beschluss des Bundesrates vom 24.11.2023 hat die Bundesregierung den Entwurf der „Verordnung zur Änderung der Verordnung über die Verbrennung und die Mitverbrennung von Abfällen und zur Änderung der Chemikalien-Verbotsverordnung“ in der Bundesratsfassung erneut in den Bundestag eingebracht (Drucksache 20/9649).
15.01.24
Nach dem Beschluss des Bundesrates vom 24.11.2023 hat die Bundesregierung den Entwurf der „Verordnung zur Änderung der Verordnung über die Verbrennung und die Mitverbrennung von Abfällen und zur Änderung der Chemikalien-Verbotsverordnung“ in der Bundesratsfassung erneut in den Bundestag eingebracht (Drucksache 20/9649).
Der Bundesrat hatte vor allem Klarstellungen und Erleichterungen für Betreiber bei Regelungen beschlossen, die ansonsten verschärfend über das EU-Recht hinausgegangen wären. Eine Synopse des Verordnungstextes mit Kommentaren zu den Bundesratsmaßgaben steht im Mitgliederbereich dieser Webseite zur Verfügung.
Artikel 1 der Verordnung ist die lange überfällige und vom VKU immer wieder angemahnte Novelle der 17. BImSch-Verordnung, mit der die noch nicht umgesetzten Schlussfolgerungen zu den luftseitigen Besten Verfügbaren Techniken (BVT) der EU für die Verbrennung und Mitverbrennung von Abfällen in das nationale Recht eingeführt werden. Die EU-rechtlich verbindliche 4-Jahres-Frist bis zur unmittelbaren Geltung der BVT für die Betreiber bestehender Anlagen endete am 03.12.2023.
Die Anpassungen zu § 10 der 17. BImSchV zur Begrenzung der Emissionen im Jahresmittel tragen gleichzeitig dazu bei, die in der 43. BImSchV verankerten Verpflichtungen zur Reduktion der Emissionen bestimmter Luftschadstoffe zu erfüllen. Dazu gehören Feinstaub, NOx, SOx und Ruß.
Darüber hinaus sind die Anpassungen ein Beitrag zur EU-Gemeinschaftsstrategie für Quecksilber, die das Ziel verfolgt, die anthropogenen Freisetzungen von Quecksilber in die Luft, in das Wasser und in den Boden zu minimieren und gegebenenfalls zu beseitigen.
Wesentliche neue Anforderungen:
- Untersuchung der Abfallanlieferungen auf radioaktive Inhaltsstoffe. Ausgenommen sind Klärschlammmonoverbrennungsanlagen und Anlagen zur Verbrennung wiederkehrend anfallender Abfälle bekannter Zusammensetzung und aus bekannter Herkunft. Letzteres meint laut Begründung zum Entwurf, dass „nicht mit radioaktiven Bestandteilen zu rechnen ist“. (§ 3 Abs. 1 Satz 2)
- Überprüfung der Verträglichkeit von flüssigen oder gasförmigen gefährlichen Abfällen vor der Vermischung mit anderen flüssigen oder gasförmigen Abfällen oder Wasser (§ 3 Abs. 3)
- Einführung eines Umweltmanagementsystems (UMS) (§ 4 Abs. 1 Satz 5)
- Absenkung diverser Emissionsgrenzwerte als Tagesmittelwerte (§ 8 Abs. 1 Nr. 1) oder Halbstundenmittelwerte (§ 8 Abs. 1 Nr. 2). In den meisten Fällen richtet sich die Bundesregierung dabei nach der oberen Grenze der EU-rechtlich vorgegebenen Emissionsbandbreiten.
- Emissionsgrenzwert Tagesmittelwert Ammoniak für alle Anlagen unabhängig davon, ob SCR oder SNCR eingesetzt wird (§ 8 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe i).
- Weniger strenge Emissionsgrenzwerte Tagesmittelwerte für HCl (8 mg/m3), SOx (40 mg/m3) und NOx (150 mg/m3) für bestehende Anlagen (§ 8 Abs. 2 Nr. 1, 2 und 3, erste Alternative)
- Ein noch etwas geringerer Emissionsgrenzwert Tagesmittelwert NOx (180 mg/m3) für bestehende a) Abfallverbrennungsanlagen mit einer Feuerungswärmeleistung ≤ 50 MW, bei denen SCR nicht anwendbar ist, die SNCR anwenden und vor dem 02.05.2013 genehmigt wurden (§ 8 Abs. 2 Nr. 3, zweite Alternative) sowie b) Abfallmitverbrennungsanlagen mit einer FWL ≤ 50 MW, bei denen SCR nicht anwendbar ist. Für diese Anlagen auch kein Jahresmittelwert NOx (§ 10 Abs. 3 und 4).
- Minimierung der N2O-Emissionen nach dem Stand der Technik bei SNCR mit Harnstoff und Wirbelschichtfeuerungen (§ 8 Abs. 4)
- Weder bestehende Abfallverbrennungsanlagen noch bestehende Anlagen mit einer Feuerungswärmeleistung ≤ 50 MW sind zukünftig dauerhaft von den Jahresmittelwerten nach § 10 ausgenommen. (siehe unten zu Übergangsfristen; siehe oben bei § 8 für Ausnahmen)
- Halbierung des Emissionsgrenzwertes Jahresmittelwert für Quecksilberverbindungen (Hg) für Abfallverbrennungsanlagen von 0,01 auf 0,005 mg Hg/m3 (§ 10 Abs. 1 Nr. 2)
- Bestimmung, Einhaltung und Berichterstattung zu bestimmten Energieeffizienzwerten (§ 13 Abs. 2 und 3, Anlage 7)
- Berechnung der Jahresmittelwerte aus den Halbstundenmittelwerten (§ 17 Abs. 4)
- Einmalige Bestimmung der PBD/F bei Anlagen, in denen gezielt Abfälle verbrannt werden, die bromierte Flammschutzmittel enthalten, oder für Anlagen, in deren Feuerraum kontinuierlich bromhaltige Verbindungen eingebracht werden (§ 18 Abs. 3, Anlage 2a)
- Besondere Überwachung während Betriebszuständen außerhalb des Normalbetriebs in IE-Anlagen und Bewertung und Berichtung an die Behörde alle 3 Jahre (§ 20a)
- Veröffentlichung einer Liste von Anlagen mit einer Nennkapazität von weniger als zwei Tonnen pro Stunde durch die Länder (§ 23 Abs. 2)
- Einwendungsbefugnisse gegen Ausnahmeanträge (§ 24 Abs. 3)
Wesentliche Übergangsbestimmungen (§ 28):
- Die Anforderungen der Novelle gelten grundsätzlich für bestehende IE-Anlagen ab dem 04.12.2023 und für bestehende Nicht-IE-Anlagen ab dem 04.12.2025.
- Lediglich die Anforderungen aus § 3 Abs. 1 Satz 2 (Radioaktivitätsmessung), § 4 Abs. 1 Satz 5 (UMS), § 10 Abs. 1 (JMW) und § 13 Abs. 3 (Energieeffizienznachweis) gelten für bestehende IE-Anlagen ebenfalls erst ab dem 04.12.2025.
- Für „kleine“ bestehende Anlagen mit einer FWL ≤ 50 MW gelten die Jahresmittelwerte nach § 10 Abs. 1 (NOx, Hg) ab dem 04.12.2028. (siehe aber Ausnahmen in § 10!)
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Die Bundesregierung schätzt, dass die Erfüllung der neuen Anforderungen für die Wirtschaft zu einmaligen Investitionskosten von 221 Mio. EUR und zu jährlich wiederkehrenden Kosten von 49 Mio. EUR führen wird.
Weiteres Vorgehen
- Der Bundestag hat in einer Entschließung die Bundesregierung u. a. aufgefordert, die erforderlichen Rechtsänderungen aufgrund des (zukünftigen) Einsatzes von CCX-Technologien ausarbeiten zu lassen und gemeinsam mit den Ländern sicherzustellen, dass es bei der Zulassung von Ausnahmen zu einem bundeseinheitlichen Vollzug kommt, der Härtefälle insbes. für bestehende Anlagen vermeidet. Letzteres ist vor allem auch erforderlich, weil die Umsetzung der EU-Vorgaben des BVT-Merkblattes erst nach Ablauf der 4-jährigen EU-Übergangsfrist für bestehende Anlagen und mehr als 3 Jahre später erfolgt, als es das deutsche Recht vorschreibt.