Littering
EU-Kunststoffrichtlinie: Rechtsgutachten veröffentlicht 19.03.20

Die konkrete Umsetzung der EU-Kunststoffrichtlinie in nationales Recht wirft zahlreiche rechtliche Fragen auf. Um diesen auf den Grund zu gehen, hat der VKU Herrn Prof. Dr. Frenz von der RWTH Aachen mit der Erstellung eines Rechtsgutachtens beauftragt. Das Gutachten wurde bei einer Pressekonferenz Mitte März in Berlin erstmals vorgestellt.

Die EU-Kunststoffrichtlinie soll die Auswirkungen bestimmter Kunststoffprodukte auf die Umwelt vermeiden und vermindern. Dafür sieht sie, neben dem Verbot einiger Einweg-Kunststoffprodukte, auch die finanzielle Inpflichtnahme der Hersteller von To-go-Verpackungen und Zigarettenfiltern vor. Bisher werden die Kosten für öffentliche Sammlungs-, Reinigungs- und Sensibilisierungsmaßnahmen über Gebühren oder die kommunalen Haushalte finanziert. Da die Einbettung der finanziellen Herstellerverantwortung in unser bestehendes Rechtssystem weitestgehend unklar ist, hat der VKU Herrn Prof. Dr. Frenz von der RWTH Aachen mit der Erstellung eines Rechtsgutachtens beauftragt. Das Rechtsgutachten lässt keinen Zweifel daran, dass nicht die Verbraucher, sondern die Hersteller von Einweg-Kunststoffprodukten für die Reinigungskosten finanziell aufkommen müssen. Die Hersteller entscheiden, welche Materialien bei der Produktion verwendet werden und sind damit als Verursachungsquelle zugleich die zentrale Schaltstelle zur Vermeidung von Einwegartikeln und Abfällen.

Folgerichtig lasse sich eine Zurückdrängung von Einwegartikeln am ehesten durch die Inpflichtnahme der Hersteller erreichen. Für die Heranziehung der Hersteller spreche auch das für die EU-Umweltpolitik fundamentalen Verursacherprinzip „polluters pay principle“. Da es auf eine direkte Verursachung nicht ankomme, genüge es irgendeinen Beitrag zum eingetretenen Erfolg zu leisten. Somit würde der Verbrauch als zeitlich letzte Ursache etwaiger Umweltbelastungen nicht eine vorgelagerte Ursache in der Herstellung überlagern. Eine mit dieser Situation vergleichbare Konstellation gebe es in Deutschland bereits bei der Überwälzung der Polizeikosten für Hochrisiko-Fußballspiele. Auch in der Zusammenschau mit der Abfallrahmenrichtlinie verlange die Kunststoffrichtlinie eine Anlastung der öffentlichen Sammlungs-, Behandlungs- und Reinigungskosten für bestimmte Einwegverpackungen und Zigarettenstummel. So sei die erweiterte Herstellerverantwortung das Regelzurechnungsmodell. Für die nähere Ausgestaltung sei die Kunststoffrichtlinie lex specialis. Neben der Inanspruchnahme der Verantwortlichen prüft Herr Prof. Dr. Frenz auch die Zulässigkeit kommunaler Verpackungssteuern. Diese seien nach wie vor mit erheblichen Rechtsrisiken belastet, schließlich würden die gleichen Produkte durch die Richtlinie und durch die Verpackungssteuer finanziell doppelt belastet werden.

Das Gutachten kommt auch zu dem Ergebnis, dass ein Lenkungszuschlag, der über die Vollkostenanlastung und damit über den Regelungsgehalt der Richtlinie hinausgehen würde, zulässig sei, wenn dadurch ein verstärktes Schutzniveau in Gestalt einer Vermeidung von Einwegverpackungen und kunststoffhaltigen Zigarettenkippen erreicht wird. Um die Probleme, die mit dem Konsumverhalten unserer Wegwerfgesellschaft einhergehen zu verdeutlichen, hat der VKU-Vizepräsident Patrick Hasenkamp ebenfalls in der Pressekonferenz über die Herausforderungen der kommunalen Unternehmen im Kampf gegen Littering berichtet und in Erinnerung gerufen, dass die EU mit der Kunststoffrichtlinie allen Mitgliedstaaten ein sehr gutes Instrument an die Hand gegeben hat, Littering zu bekämpfen und Einwegprodukte aus Kunststoff zurückzudrängen. Nun komme es darauf an, ob die Mitgliedstaaten dieses Instrument im Sinne von Verbrauchern und Umwelt auch richtig nutzen.

Der Gesetzgeber müsse bereit sein, über eine enge 1:1-Umsetzung der Richtlinie hinauszugehen, um eine ökologische Lenkungswirkung zu erreichen und Verlagerungseffekte zu vermeiden. So sollten alle häufig verwendeten Einweg-Produkte, die auf unseren Straßen landen, adressiert werden – nicht nur die aus Plastik. Ansonsten entsorgen die kommunalen Betriebe künftig To-Go-Becher aus Pappe anstatt aus Plastik. Das kann nicht gewollt sein. Die Bundesregierung sollte die Kunststoffrichtlinie dazu nutzen, dass Litteringproblem grundsätzlich anzugehen. Andernfalls werden wir immer mehr Insellösungen wie in Tübingen sehen.

Dabei stehe zu befürchten, dass solche – gut gemeinten – Einzelmaßnahmen zu einem Flickenteppich führen und bei den Verbrauchern eher Verwirrung stiften, als das Problem an der Wurzel zu packen. Wie sich der weitere Umsetzungsprozess der Richtlinie gestalten wird, ist in Anbetracht der aktuellen Ereignisse im Zusammenhang mit dem Corona-Virus fraglich. So war bspw. das Institut für Abfall, Abwasser und Infrastruktur-Management (INFA) gezwungen die Durchführung der Sortieranalysen einzustellen.

Das Gutachten zur Herstellerverantwortung steht Ihnen HIER zum Download zur Verfügung.