Am 12.06.2019 wurde die Kunststoffrichtlinie im Amtsblatt der EU veröffentlicht. Durch diese Richtlinie sollen die Auswirkungen bestimmter Kunststoffprodukte auf die Umwelt vermieden und vermindert werden. Dazu sollen nicht nur Verbote erlassen werden. Auch die Hersteller bestimmter Produktgruppen sollen in die finanzielle Verantwortung genommen werden. Wie die ambitionierten Ziele der Richtlinie jedoch konkret umgesetzt werden sollen, ist weiter unklar.
Die Kunststoffrichtlinie verfolgt eine klar Zielsetzung: die Auswirkungen bestimmter Kunststoffprodukte auf die Umwelt, insbesondere die Meeresumwelt, und die menschliche Gesundheit vermeiden und vermindern und den Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft mit innovativen und nachhaltigen Geschäftsmodellen, Artikeln und Werkstoffen fördern.
Diese Ziele sollen nicht nur durch das Verbot einiger Einweg-Kunststoffprodukte erreicht werden. Auch die Hersteller von Tabakprodukten und To-Go- Verpackungen sollen in die Pflicht genommen werden. So sollen die Hersteller dieser Produkte künftig die Kosten für die Sammlung, Beförderung und Behandlung der durch diese Produkte entstehenden Abfälle sowie die Kosten für kommunale Reinigungsaktionen und Sensibilisierungsmaßnahmen tragen. Zur Berechnung dieser Kosten soll die EU-Kommission Leitlinien veröffentlichen. Eine Frist zur Veröffentlichung gibt es jedoch nicht.
Da diese Kosten auf transparente Weise festzusetzen sind und die Verhältnismäßigkeit zu wahren haben, untersuchen der VKU und INFA in einem Verbund-projekt den auf die oben genannten Produkte entfallenden kommunalen Reini-gungs- und Entsorgungsaufwand und die damit einhergehenden Kosten. Auch andere Mitgliedstaaten haben eigene Untersuchungen in Auftrag gegeben. Municipal Waste Europe (MWE), der als Dachverband die Interessen der kommunalen Entsorgungswirtschaft in Europa vertritt, hat auf europäischer Ebene eine Studie in Auftrag gegeben, an der sich 14 Mitgliedstaaten beteiligen.
Der Anspruch des VKU-INFA-Verbundprojektes ist es den einzelnen Produktgruppen trennscharf die jeweiligen Kosten zuzuordnen. Auch die Kosten für die Sensibilisierungsmaßnahmen, die bspw. für die Bekämpfung des Litterings aufgewendet werden, wurden bei der Analyse berücksichtigt. Um eine möglichst umfangreiche Datenbasis zu schaffen, wurden auch Verpackungen untersucht, die nicht dem Anwendungsbereich der Richtlinie unterfallen. Je nach Produktgruppe und Anfallort soll ein unterschiedlicher Maßstab gewählt werden. Schließlich sind bei einer händischen Erfassung von Zigarettenfilter nicht das Gewicht oder das Volumen, sondern die Stückzahl bzw. die Dauer der Abfallsammlung kostendominierend.
Die bisherigen Analysen haben sich vorwiegen auf den städtischen Bereich beschränkt. Vertreter der Generaldirektion Umwelt der EU-Kommission haben den VKU in einem Gespräch jedoch darauf aufmerksam gemacht, dass nicht zuletzt unter Beachtung des Ansatzes der Kunststoffrichtline, der untersuchte öffentliche Raum weit zu fassen und damit nicht auf den städtischen Bereich zu be-schränken sei. Dies berücksichtigend soll nunmehr auch der kommunale Reinigungs- und Entsorgungsaufwand an den Küsten und Stränden analysiert werden. Sofern Ihr Entsorgungsgebiet an die Nord-und Ostsee angrenzt und Sie sich an dem VKU-INFA-Verbundprojekt beteiligen wollen oder Sie bereits über Daten verfügen, die eine Kostenanalyse ermöglichen, steht Ihnen die Autorin gerne als Ansprechpartnerin zu Verfügung.
Auch wenn die Kosten für den kommunale Reinigungs- und Entsorgungsaufwand analysiert werden, bleibt die rechtliche Umsetzung der Richtlinie, insbesondere des Art. 8, weiterhin unklar. Für Verpackungen könnte auf den in § 22 Abs. 9 VerpackG etablierten Finanzierungsmechanismus zurückgegriffen werden. Dies würde jedoch dazu führen, dass die von den dualen Systemen zu zahlenden Nebenentgelte deutlich ansteigen.
Weiterhin ist fraglich, ob der Gesetzgeber die Richtlinie 1 zu 1 umsetzen wird. Diese Umsetzung würde mit hoher Wahrscheinlichkeit zu Verlagerungseffekten auf andere Produkte führen, die denselben kommunalen Reinigungsaufwand wie Produkte aus Einwegkunststoffen verursachen. Zudem müssten einige Begrifflichkeiten aus der Kunststoffrichtlinie in das VerpackG integriert werden. Überdies dürfte sich die Unterscheidung welche Produkte dem VerpackG, welche Produkte der Richtlinie und welche Produkte beiden Regelungsbereich unterfallen, in der praktischen Umsetzung schwierig gestalten. Es ist auch zu befürchten, dass bei einer 1:1-Umsetzung die erhoffte Lenkungswirkung kaum spürbar sein wird und die Erwartungshaltung der Bürger und der kommunalen Unternehmen in die Richtlinie enttäuscht wird.