Perspektive Wasserstoff in Bayern

29.07.20

In den vergangenen Monaten hat die Diskussion um das Thema Wasserstoff wieder an Fahrt gewonnen, wie die Veröffentlichung von Wasserstoffstrategien auf unterschiedlichen politischen Ebenen derzeit zeigt. Seit Mai liegt nun auch die Bayerische Wasserstoffstrategie vor. Bereits jetzt sind kommunale Unternehmen Testfeld für unterschiedlichste Ansätze im Bereich Wasserstoff, wie die Veranstaltung „Wasserstoff in kommunaler Wertschöpfung“ der VKU-Landesgruppe Bayern sowie der Landesgruppe Thüringen im Herbst 2019 zeigte:

Die Stadtwerke Augsburg verdeutlichten die Chancen von synthetischen Gasen in Bestandsgebäuden anhand eines bereits realisierten, gemeinsamen Projektes mit der Immobilienwirtschaft zur dezentralen Energieversorgung. Hierbei wird überschüssiger PV-Strom vom Dach mithilfe von Elektrolyse in Wasserstoff unter anschließender Beisetzung von Kohlendioxid in synthetisches Erdgas umgewandelt. Bei Bedarf wird mithilfe eines BHKWs Strom und Wärme für die Mieter erzeugt. Der CO2-Ausstoß des BHKW dient der Methanisierung, der Sauerstoff der Elektrolyse der hochreinen Verbrennung. Überschlägig werden so 20% des Stroms und Energiebedarfs auf der städtischen Liegenschaft gewonnen.

Bei den Wasserwerken Sonneberg in Thüringen stand hingegen der in der Elektrolyse gewonnene Sauerstoff im Fokus, der in der angrenzenden Kläranlage eingesetzt wird. Wasserstoff ist hier „nur“ Nebenprodukt. Intensiv diskutiert wurde die Sektorkopplung, die die Nutzung dieser verschiedenen Produkte rund um den Wasserstoff erlaubt, wie auch die künftige Rolle des Gasnetzes. Als abschließendes Highlight der Veranstaltung besuchten die Teilnehmer*innen die Power-to-Gas-Anlage sowie das bivalente Wasserstoff-BHKW des Stadtwerks Haßfurt. (Die Präsentationen der Referenten sind im Mitgliederbereich abrufbar). Das BHKW wurde vom Bayerischen Wirtschaftsminister Aiwanger kürzlich ausgezeichnet. Es kann fließend vom Erdgas auf den Wasserstoffeinsatz übergehen. Die Veranstaltung machte deutlich, dass kommunale Unternehmen bereits heute ein breites Testfeld für Wasserstoff sind, das Anlagenhersteller brauchen und nutzen.

Seither ist die VKU-Landesgruppe Bayern zusammen mit Mitgliedsunternehmen im bayerischen Wasserstoffbündnis* engagiert, um solche dezentralen Ansätze der Wasserstofferzeugung- und -verwendung mit ihren Synergien in den Fokus zu rücken. Entsprechend hat die Landesgruppengeschäftsstelle das Positionspapier des Wasserstoffbündnisses Bayern begleitet, das parallel zur kürzlich vorgestellten Bayerischen Wasserstoffstrategie veröffentlicht wurde. Beide Papiere sind stark auf den Anlagenbau, auf Mobilität und generell den Export von Technologien sowie den Import von Wasserstoff von anderen Kontinenten ausgerichtet - kommend von der Bedeutung Bayerns als Automobilstandort.

Dennoch ist es uns gelungen, Ankerpunkte für kommunale Wasserstofflösungen zu setzen. Diese auszubauen ist nun unser Ziel in der Arbeit mit dem Wasserstoffbündnis für eine RoadMap Bayern bis zum Jahr 2025, die die Wasserstoffstrategie vorsieht. So scheint klar, dass die mit der bayerischen Strategie angestrebten 100 Wasserstofftankstellen schneller und verlässlich mit regionalen Elektrolyseanlagen zu versorgen sind, um Brennstoffzellenfahrzeuge wie Busse, Nutzfahrzeuge oder LKW zu betanken, als auf internationale Produktion und Transport von Wasserstoff innerhalb der nächsten Jahre zu setzen.

In einem ersten Web-Meeting des Wasserstoffbündnisses konnten wir nun nochmals die Chancen regionaler Projekte unterlegen. Aus Wissenschaft und Forschungsinstituten, wie auch einzelnen KMU der Automobilbranche kamen hierzu positive Reaktionen. Diese Akteure wollen wir an einen Tisch holen, um gemeinsam Projekte mit Beteiligung kommunaler Unternehmen in die Wege zu leiten. Es bleibt weiter zu verdeutlichen, dass dezentrale Ansätze mit entsprechender Wertschöpfung vor Ort ihren Beitrag zur Erreichung der Pariser Klimaziele leisten können.

Die zentrale Grundlage für die langfristig nachhaltige Gewinnung von Wasserstoff ist ausreichend verfügbarer regenerativer Strom. Das Potential durch erneuerbare Energien ist für eine bayerische Wasserstoffwirtschaft insofern primär in Bayern auszuschöpfen. Es ist natürlich, technisch und wirtschaftlich vorhanden, wie zuletzt auch die Expertenkommission zum Monitoring-Prozess „Energie der Zukunft“ in ihrem jüngsten Bericht anhand von Daten der Forschungsstelle Energiewirtschaft herausgestellt hat (S. 28). Um dieses Potential zu heben, sind die Rahmenbedingungen dafür zu gestalten und nicht als gesetzt anzunehmen, etwa bei Abstandsregelungen im Bereich Windkraft.

Neben den dezentralen Ansätzen der Wasserstofferzeugung und -anwendung spielen die Gasnetze unserer kommunalen Unternehmen eine Schlüsselrolle als Infrastruktur und somit Basis einer Wasserstoffwirtschaft. Schon in der Beimischung dienen sie dem Aufbau von Wasserstofftechnologien, während sie langfristig umgewidmet werden können. Dafür sind Investitionen nötig, die den Bestand der vorhandenen, meist bereits bezahlten Infrastruktur sichern. Die Berücksichtigung der Gasnetze in einer Wasserstoffwirtschaft kann somit einen wesentlichen Beitrag zur Wirtschaftlichkeit einer mit Wasserstoff langfristig CO2-freien Energieversorgung leisten.

Die Stärke kommunaler Unternehmen in einer Wasserstoffwirtschaft liegt in der Berücksichtigung lokaler und regionaler Strukturen. Sie erlauben die angestammte Domäne der KWK weiter zu denken und die Sektorkopplung auf stoffliche Nutzungen (Sauerstoff, neue Skalierung chemischer Prozesse) zu erweitern. So kann lokal Wertschöpfung generiert und die Rolle der kommunalen Unternehmen über den Transport von Wasserstoff in den Netzen hinausgehend ausgebaut werden.

*Anmerkung: Das Wasserstoffbündnis Bayern wird durch die Vorstände Prof. Dr. Grimm sowie Prof. Dr. Wasserscheid geleitet. Frau Prof. Grimm wurde kürzlich als „Wirtschaftsweise“ in den Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung sowie in den Nationalen Wasserstoffrat berufen. In letzterem Gremium sind zudem Vorstandsvorsitzende/ Vorstände der Siemens AG, der Linde GmbH, von MAN Energy Solutions oder der Schaeffler Gruppe vertreten.