Schreiben des StMI zum kommunalrechtlichen Rahmen für die Energieversorgung und –erzeugung

23.11.23

Im Folgenden informieren wir Sie über ein Schreiben des Bayerischen Innenministeriums vom 8. September 2023 zum Thema „Hinweise zum kommunalrechtlichen Rahmen für die Energieversorgung und Erzeugung von erneuerbaren Energien durch Kommunen.“ Sie finden das Schreiben vom September 2023 in unserem Mitgliederbereich. 

Wir haben Ihnen die aus unserer Sicht wichtigsten Aspekte dieses Schreibens im Folgenden zusammengefasst: 

1. Betätigung der Gemeinden auf dem Gebiet der Energieversorgung 

In den eigenen Wirkungskreis der Gemeinden fällt gemäß Art. 83 Abs. 1 Halbsatz 3 der Bayerischen Verfassung unter anderem die Versorgung der Bevölkerung mit Wasser, Licht, Gas und elektrischer Kraft als eine freiwillige Aufgabe der gemeindlichen Daseinsvorsorge. Art. 6 Abs. 1 der Bayerischen Gemeindeordnung (GO) bestimmt, dass den Gemeinden der allseitige Wirkungskreis „in ihrem Gebiet“ zusteht; vor diesem Hintergrund ist die Aufgabe der Energieversorgung nach derzeit (noch) geltender Rechtslage grundsätzlich auf den im jeweiligen Gemeindegebiet bestehenden Bedarf begrenzt. Bis zum 31. Dezember 2023 gelten insoweit noch die Ausführungen des IMS vom 31. Juli 2012 (Az.: IB3-3321-7) unter Ziff. 1.1.1 und Ziff. 1.1.2. Dieses Schreiben aus dem Jahr 2012 erhalten Sie auf Nachfrage bei Herrn Maluska. 

Zum 1. Januar 2024 ergeben sich nicht zuletzt durch erfolgreiche lobbyistische Tätigkeiten des VKU (siehe VKU-Stellungnahme vom 29.03.2023) durch das Gesetz zur Änderung des Gemeinde- und Landkreiswahlgesetzes und weiterer Rechtsvorschriften vom 24. Juli 2023 folgende Änderungen an der Bayerischen Gemeindeordnung: 

  • Gemäß Art. 87 Abs. 3 Satz 1 GO in der Fassung des Änderungsgesetzes (im Folgenden: GO n.F.) dienen künftig Tätigkeiten eines gemeindlichen Unternehmens zur Versorgung mit Strom, thermischer Energie (Wärme, Kälte) und Gas generell einem öffentlichen Zweck. Dies gilt auch für Versorgungstätigkeiten außerhalb des Gemeindegebiets. Kommunalrechtliche Voraussetzung für diese Tätigkeiten von gemeindlichen Unternehmen in der Energieversorgung wird nach Art. 87 Abs. 3 Satz 2 GO n.F. künftig nur noch sein, dass sie nach Art und Umfang in einem angemessenen Verhältnis zur Leistungsfähigkeit der Gemeinde stehen. Die Gemeinden können die Aufgabe der Energieversorgung daher ab dem 1. Januar 2024 auch unabhängig vom jeweiligen Bedarf im Gemeindegebiet wahrnehmen, sofern die gemeindliche Leistungsfähigkeit gewahrt bleibt. 

  • Unberührt bleibt Art. 87 Abs. 2 GO, wonach bei einem Tätigwerden außerhalb des Gemeindegebiets die berechtigten Interessen der von der Versorgungstätigkeit betroffenen kommunalen Gebietskörperschaften im Sinne des Abs. 2 Satz 2 gewahrt bleiben müssen. Weitere Informationen finden Sie hierzu auf Seite 3 des StMI-Schreibens/2023. 

  • Verbundene Tätigkeiten werden gemäß Art. 87 Abs. 3 Satz 3 GO n.F. als Tätigkeiten, die im Wettbewerb üblicherweise zusammen mit der Versorgung mit Strom, thermischer Energie und Gas erbracht werden, definiert. Es wird klargestellt, dass sie zulässig sind, wenn sie im Verhältnis zum Hauptzweck (Versorgung mit Strom, thermischer Energie und Gas) eine untergeordnete Bedeutung einnehmen und diesen fördern. Damit können zulässige verbundene Tätigkeiten von unzulässigen, rein gewinnorientierten Tätigkeiten gemäß Art. 87 Abs. 1 Satz 2 GO abgegrenzt werden. Nach Art. 87 Abs. 3 Satz 4 GO n.F. fördern verbundene Tätigkeiten den Hauptzweck insbesondere dann, wenn die Leistungen erforderlich sind, um Anlagen zur Versorgung mit Strom, thermischer Energie und Gas einschließlich der Nutzung für Zwecke der Elektromobilität zu errichten, zu warten oder instand zu setzen. Hierzu zählen beispielhaft Installations- und Wartungsarbeiten an Photovoltaikanlagen oder anderen Anlagen zur Energieversorgung, die Errichtung und der Betrieb von Ladesäulen, die Erbringung sonstiger Mobilitätsdienstleistungen im Zusammenhang mit der Elektromobilität, beispielsweise entsprechende Carsharing-Angebote.  

Bei verbundenen Tätigkeiten hat die Gemeinde gemäß Art. 87 Abs. 3 Satz 5 GO n.F. sicherzustellen, dass die berechtigten Interessen kleinerer Unternehmen, insbesondere des Handwerks, berücksichtigt werden. 

Für Tätigkeiten, die üblicherweise zusammen mit der Versorgung mit Trinkwasser erbracht werden, gelten gemäß Art. 87 Abs. 3 Satz 6 GO n.F. die Bestimmungen über verbundene Tätigkeiten (Art. 87 Abs. 3 Sätze 3 bis 5 GO n.F.) künftig entsprechend. Zulässig sind insoweit beispielsweise automatisierte Warnmeldungen bei Leckagen oder ungewöhnlichen Verbrauchsabweichungen, um im öffentlichen Interesse die sichere Versorgung mit Trinkwasser und einen sparsamen Umgang mit der wertvollen Ressource Trinkwasser zu gewährleisten. 

2. Betätigungen auf dem Gebiet der Erzeugung erneuerbarer Energien 

Mit dem Gesetz zur Änderung des Bayerischen Klimaschutzgesetzes und weiterer Rechtsvorschriften vom 23.12.2022 (GVBl. 2022 S. 704) wurde Art. 3 Abs. 6 in das Bayerische Klimaschutzgesetz (BayKlimaG) eingefügt. Die Änderung ist am 1. Januar 2023 in Kraft getreten. 

  • Nach Art. 3 Abs. 6 Satz 1 BayKlimaG können die Gemeinden, Landkreise und Bezirke im Rahmen ihrer Leistungsfähigkeit Anlagen zur Erzeugung von erneuerbaren Energien errichten und betreiben. Sie sind dabei nicht an die Deckung des voraussichtlichen Bedarfs in ihren jeweiligen Gebieten gebunden (Art. 3 Abs. 6 Satz 2 BayKlimaG). Für den Begriff der erneuerbaren Energien, die die Kommunen gemäß Art. 3 Abs. 6 BayKlimaG erzeugen können, kann auf die Definition in § 3 Nr. 21 Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG 2023) zurückgegriffen werden. 

  • Zu beachten ist, dass gemäß Art. 3 Abs. 6 Satz 3 BayKlimaG die Aufgabe der Gemeinden, die Bevölkerung mit Energie zu versorgen, unberührt bleibt. Das Gesetz unterscheidet damit zwischen der Errichtung und dem Betrieb von Anlagen zur Erzeugung erneuerbarer Energien einerseits - Tätigkeiten, die von allen Kommunen wahrgenommen werden können (Art. 3 Abs. 6 Satz 1 und 2 BayKlimaG) - und der Energieversorgung andererseits, die – im Kreis der „kommunalen Familie“ – den Gemeinden vorbehalten bleibt. Damit wird der verfassungsrechtlichen Bestimmung des Art. 83 Abs. 1 Halbsatz 3 BV Rechnung getragen, wonach die Aufgabe der Energieversorgung zum eigenen Wirkungskreis der Gemeinden zählt. 

  • Eine Versorgung von Endverbrauchern durch Landkreise und Bezirke ist daher auf Grundlage des Art. 3 Abs. 6 BayKlimaG nicht zulässig; hierfür sind nur die Gemeinden zuständig. Landkreise und Bezirke müssen daher die von ihnen erzeugte erneuerbare Energie an gemeindliche Stadtwerke oder gewerbliche Energieversorgungsunternehmen vermarkten, soweit sie die gewonnene Energie nicht zur Deckung des eigenen Bedarfs verwenden. 

3. Energieberatung 

Die Aufgabe der Energieversorgung (Art. 83 Abs. 1 BV) umfasst auch die Energieberatung durch Gemeinden. Daneben können Art. 51 Abs. 1 LKrO bzw. Art. 48 Abs. 1 BezO, wonach die Landkreise bzw. die Bezirke die öffentlichen Einrichtungen schaffen sollen, die für das wirtschaftliche Wohl ihrer Einwohner nach den Verhältnissen des Kreisgebiets bzw. des Bezirks erforderlich sind, in vertretbarer Weise dahingehend ausgelegt werden, dass es sich bei der Energieberatung gegenüber Bürgern und anderen Kommunen auch um überörtliche Aufgaben handeln kann, die von den Landkreisen und Bezirken freiwillig im eigenen Wirkungskreis übernommen werden können. Dabei ist zu beachten, dass eine Beratung einzelner Unternehmen durch eine Kommune grundsätzlich nur unter Beachtung des Beihilfen- und Wirtschaftsförderungsrechts zulässig ist. 

4. Kommunale Zusammenarbeit in der Energiewirtschaft 

Die Zusammenarbeit zwischen Kommunen kann in verschiedenen Rechtsformen erfolgen. Das Gesetz über die kommunale Zusammenarbeit (KommZG) sieht hierfür „kommunale Arbeitsgemeinschaften“, „Zweckvereinbarungen“, „Zweckverbände“ und „gemeinsame Kommunalunternehmen“ als öffentlich-rechtlichen Rechtsformen vor. Daneben stellen in der Regel auch kommunal getragene Unternehmen in Privatrechtsform (Art. 92 ff. GO, Art. 80 ff. LKrO, Art. 78 ff. BezO) geeignete Rechtsformen für eine Kooperation bei der Energieerzeugung und -versorgung dar. 

  • Da die Errichtung und der Betrieb von Anlagen zur Erzeugung von Erneuerbaren Energien jeder kommunaler Ebene zugewiesen wird, kann eine Zusammenarbeit von Körperschaften verschiedener kommunaler Ebenen in Betracht kommen. Da die Kommunen gemäß Art. 3 Abs. 6 Satz 2 BayKlimaG nicht an die Deckung des voraussichtlichen Bedarfs in ihren jeweiligen Gebieten gebunden sind, ist auch bei der Zusammenarbeit keine Bedarfsermittlung erforderlich. 

  • Wenn eine Gemeinde die Aufgabe der Energieversorgung einem Zweckverband oder einem gemeinsamen Kommunalunternehmen übertragen hat, war die Reichweite der Aufgabenübertragung nach der bisher geltenden Rechtslage durch den Energiebedarf der einzelnen gemeindlichen Verbandsmitglieder bzw. der einzelnen Träger des Kommunalunternehmens in ihren jeweiligen Gebietsgrenzen begrenzt. Dasselbe galt für die Ausgliederung der Energieversorgung in ein privatrechtlich verfasstes kommunales Unternehmen der Gemeinde. Diese Begrenzung entfällt mit Inkrafttreten des Art. 87 Abs. 3 GO n.F. am 1. Januar 2024. 

  • Soweit die Energieversorgung (Belieferung von Endverbrauchern mit Energie) im Wege kommunaler Zusammenarbeit erfüllt wird, ist zu beachten, dass diese Aufgabe nach Art. 83 Abs. 1 BV ausschließlich der gemeindlichen Ebene zugewiesen ist. Kommunale Kooperationen in der Energieversorgung setzen daher zwingend die Beteiligung mindestens einer Gemeinde voraus. Bitte beachten Sie zur Ausgestaltung einer Verbands-/ Unternehmenssatzung Seite 11 des StMI-Schreibens/2023. 

  • Darüber hinaus können sich bei der Energieerzeugung und -versorgung auch gemischtwirtschaftliche Betätigungen anbieten, bei denen Kommunen mit privaten Wirtschaftsteilnehmern – insbesondere Energieversorgungsunternehmen in privater Trägerschaft – zusammenarbeiten. 

  • An Arbeitsgemeinschaften können sich sowohl Gemeinden, Landkreise und Bezirke als auch natürliche Personen und juristische Personen des Privatrechts beteiligen, Art. 4 Abs. 1 KommZG. 

  • Auch natürliche Personen und juristische Personen des Privatrechts können Mitglieder eines Zweckverbands sein. Art. 17 Abs. 2 Satz 2 KommZG setzt hierfür jedoch voraus, dass durch deren Mitgliedschaft die Erfüllung der Verbandsaufgaben gefördert wird und Gründe des öffentlichen Wohls nicht entgegenstehen. 

  • Für gemischtwirtschaftliche Betätigungen in der Energiewirtschaft werden sich in der Regel eher die Handlungsformen des kommunalen Unternehmensrechts anbieten, soweit ein angemessener Einfluss der beteiligten Kommunen auf das Unternehmen gewahrt bleibt.