Schwarz-grüne Regierung in Schleswig-Holstein: Bewertung des Koalitionsvertrages aus Sicht der Kommunalwirtschaft

01.07.21

Am Mittwoch, den 22. Juni haben die Koalitionäre aus CDU und Bündnis 90/Die Grünen nach rund vier Wochen Verhandlungen ihren Koalitionsvertrag "Ideen verbinden - Chancen nutzen Schleswig-Holstein gestalten" vorgestellt. Dieser wurde am darauffolgenden Montag, den 27. Juni in Neumünster von den Parteigremien bestätigt. Seitdem regiert die schwarz-grüne Koalition in Schleswig-Holstein unter Ministerpräsident Daniel Günther. Vereidigt wurden er und sein neues Kabinett am 29. Juni. Die CDU stellte außer dem Ministerpräsidenten und dem Staatskanzleichef fünf Ministerinnen und Minister. Neu sind der frühere Rostocker Oberbürgermeister Claus Ruhe Madsen als Wirtschaftsminister, der ehemalige Landesbauernpräsident Werner Schwarz als Landwirtschaftsminister und die Juristin Kerstin von der Decken, die für Justiz und Gesundheit zuständig wird. Karin Prien bleibt Bildungsministerin und Sabine Sütterlin-Waack Innenministerin. Für die Grünen macht Monika Heinold als Finanzministerin weiter. Aminata Touré übernimmt das Sozialressort. Der bisherige Staatssekretär Tobias Goldschmidt wird Umwelt- und Energieminister.

Als Geschäftsstelle des VKU Nord haben wir die Koalitionsverhandlungen eng begleitet und nach einer ersten Pressemitteilung am Folgetag der Wahl vier Whitepaper mit unseren Kernforderungen in den Bereichen Wärmewende, Startprämie, Wasserstoff und Abfallwirtschaft in die Koalitionsverhandlungen eingespeist. Mit der Veröffentlichung des Koalitionsvertrages hat die Geschäftsstelle diesen analysiert und aus Sicht der Kommunalwirtschaft bewertet.

Die Belange der Kommunalwirtschaft wurden in vielfacher Hinsicht anerkannt und viele unserer Forderungen aufgenommen. Daher begrüßen wir den Koalitionsvertrag grundsätzlich und befürworten die allgemeine Ausrichtung der neuen Landesregierung. In einigen Bereichen sehen wir jedoch noch deutlichen Verbesserungsbedarf. Hier werden wir als Geschäftsstelle weiter tätig bleiben und uns für Sie und Ihre Interessen stark machen. In der kommenden Legislaturperiode 2022 bis 2027 setzen wir uns zudem für die tatsächliche Umsetzung der im Koalitionsvertrag aufgenommenen Forderungen ein und werden die entsprechenden Verfahren im notwendigen Umfang begleiten.

Folgend finden Sie die inhaltliche Auswertung des Koalitionsvertrages im Abgleich mit den Postionden der Kommunalwirtschaft zum Download sowie eine Zusammenfassung der Ressorts.

Im Bereich Klimaschutz stellen die Koalitionspartner den Anspruch, dass Schleswig-Holstein bereits bis 2040 als erstes Industrieland klimaneutral werden soll. Die konkreten Maßnahmen sollen in einem Klimaschutzprogramm zusammengefasst werden. Klimaschutz will die Koalition außerdem in der Verfassung des Landes verankern.

Im Bereich des Ausbaus der Erneuerbaren Energien ist das Ziel, eine deutliche Beschleunigung zu erreichen. Wir begrüßen einen forcierten Ausbau der Erneuerbaren Energien und die Verbesserung von Rahmenbedingungen, wie eine Verkürzung von Genehmigungsverfahren und weitere Standardisierung von Artenschutzbelangen. Zwar wurde unserer Forderung nach einer grundlegenden Repoweringstrategie nicht gefolgt, dennoch enthält der Koalitionsvertrag konkrete Vorhaben bezüglich des Repowerings von Anlagen. Zudem sollen für die Windkraft Onshore- wie Offshore weitere Flächen zur Verfügung gestellt werden. Ab 2025 sieht der Vertrag zudem eine Solarpflicht auf Dächern von Neubauten vor.

Im Bereich Energiewirtschaft freuen wir uns, dass unsere Kernforderung nach einem Kompetenzzentrum für die Umsetzung der Wärmewende im Vertrag aufgenommen wurde. Zudem sollen im Zuge der Wärmewende Nah- und Fernwärmenetze weiter konsequent dekarbonisiert werden. Wärmenetzbetreiber sollen vor diesem Hintergrund Klimaneutralitätsplane vorlegen. Diese Forderung gilt es aus unserer Sicht zunächst kritisch zu hinterfragen. Weiterhin findet sich die VKU-Forderung nach der konsequenten Fortschreibung der Wasserstoffstrategie des Landes im Koalitionsvertrag wieder. Der priorisierte Einsatz von Wasserstoff in Bereichen wie Industrie, Schiffs- und  Flugverkehr, Schwerlasttransport, Busverkehr über längere Strecken und Grundstoff- und Chemieindustrie ist unsererseits nachvollziehbar, greift aber zu kurz. Hier sehen wir den großen Bereich Wärmesektor nicht angemessen berücksichtigt. Zu begrüßen ist, dass gemäß unserer Anregungen Energieversorger, kommunale Unternehmen und Zweckverbände dezidiert als zentrale Akteure beim Aufbau einer dezentralen Wasserstoffinfrastruktur benannt werden und die Nutzung von Wasserstoff in allen Sektoren technologieoffen ausgestaltet werden soll. Insgesamt sind die Vorhaben zum Aufbau einer Wasserstoffwirtschaft positiv zu bewerten. Wir begrüßen weiterhin den beschleunigten Netzausbau sowie das Engagement der Landesregierung für faire Netzentgelte.

Im Bereich der Wasserwirtschaft wurde unsere Forderung nach einer Stärkung der interkommunalen Zusammenarbeit aufgegriffen. Gemäß unseres Vorschlages einer sog. Startprämie sollen funktionale und finanzielle Anreize für freiwillige Zusammenschlüsse von Gemeinden weiterentwickelt und landesseitig unterstützt werden. Die EU-Nitrat- und Wasserrahmenrichtlinie sollen konsequent umgesetzt werden, damit langfristig ein besserer Schutz der Ressource Wasser gewährleistet werden kann.

Im Abfallbereich sieht die Koalition eine zentrale Aufgabe in dem Ausbau und der Stärkung der Kreislaufwirtschaft. Weiterhin soll ein neues Deponierungskonzept für das Bundesland auf den Weg gebracht werden. An dieser Stelle setzten wir als Verband uns für eine rasche Umsetzung ein, um die Entsorgungssicherheit innerhalb des Landes nicht weiter zu gefährden.

 

In der LG Nord sind über 100 kommunale Unternehmen im VKU organisiert. Die VKU-Mitgliedsunternehmen in der LG Nord leisten jährlich Investitionen in Höhe von fast 900 Millionen Euro, erwirtschaften einen Umsatz von mehr als 5,4 Milliarden Euro und sind wichtiger Arbeitgeber für über 17.000 Beschäftigte.