Thüringer Gesetz zur Neuordnung des Thüringer Wasserwirtschaftsrechts
12.02.18

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Der Verband kommunaler Unternehmen (VKU) vertritt die Interessen von über 1.400
kommunalwirtschaftlicher Unternehmen in den Bereichen Energie, Wasser/Abwasser,
Abfallwirtschaft sowie Telekommunikation. Die Landesgruppe Thüringen hat 58
Mitgliedsunternehmen. Dabei sind sowohl die Stadtwerke, kommunale Eigenbetriebe
als auch kommunale Zweckverbände in den Bereichen der Wasserver- und
Abwasserentsorgung engagiert. Der VKU bedankt sich für die Gelegenheit, im Rahmen
der Verbändeanhörung seine Auffassungen zum vorgelegten Entwurf der Novelle des
Thüringer Wassergesetzes darlegen zu können.

Die VKU Landesgruppe begrüßt es im Sinne seiner kommunalen Mitgliedsunternehmen,
dass es sich die Landesregierung Thüringens zum Ziel gesetzt hat, eine zügige Anpassung
der Landesregelungen an die neuen bundesrechtlichen (konkurrierenden)
Wasserrechtsvorschriften im Wasserhaushaltsgesetz (WHG) durchzuführen. Diese
Anpassung ist auch vor dem Hintergrund anstehender Investitionen der kommunalen
Wasserver- und Abwasserentsorgungsunternehmen dringend erforderlich.
Das anvisierte Ziel einer Fortentwicklung und einer Beibehaltung der geltenden
Regelungen in Thüringen unterstützt der VKU grundsätzlich. Der VKU begrüßt, dass das
ThürWG eine eindeutige Regelung zum Vorrang der öffentlichen Wasserversorgung vor
anderen Gewässerbenutzungen enthält.

Nach Ansicht des VKU sollte jedoch die Gelegenheit der Neufassung des ThürWG dazu
genutzt werden, Eckpfeiler für eine nachhaltige und zukunftsfähige Wasserwirtschaft in
Thüringen zu setzen. In diesem Zusammenhang hat der VKU insbesondere folgende
zentrale Änderungsvorschläge:

A: Bewirtschaftung des Grundwassers
Der in der Gesetzesbegründung zu § 41 auf einen Zusammenhang zwischen der Tiefe
einer Bohrung einerseits und der UVP-Pflichtigkeit des Vorhabens andererseits
abgestellte Zusammenhang ergibt sich weder aus dem WHG noch aus dem UVPG oder
der aktuellen Fassung des ThürUVPG. Die Ziffern 1.3 (Entnehmen, Zutage fördern oder
Zutage leiten von Grundwasser oder Einleiten von Oberflächenwasser zum Zwecke der
Grundwasseranreicherung, jeweils mit einem jährlichen Volumen von weniger als 10
Mio. m³ Wasser [standortbezogene Vorprüfung des Einzelfalls]) und 1.4 (Tiefbohrungen
von mehr als 100 m Tiefe zum Zwecke der Wasserversorgung [standortbezogene
Vorprüfung des Einzelfalls]) waren 2013 aus der Anlage 1 zum ThürUVPG gestrichen
worden; auch nach der vormaligen Gesetzeslage war eine UVP-Pflicht nur bei
entsprechendem Ergebnis der Vorprüfung gegeben.

Unklar ist des Weiteren, wieso bezüglich der Frist zur Anzeigepflicht eine Verschärfung
der Gesetzeslage gegenüber dem Bundesrecht vorgesehen ist. Da eine Begründung
dafür fehlt, sollte die Verschärfung wegfallen.

B: Öffentliche Wasserversorgung
Der in § 42 Abs. 1 Satz 1 enthaltene 2. Halbsatz: „… die bisher nicht an die öffentliche
Wasserversorgung angeschlossen sind.“ kann zu Irritationen und falschen
Erwartungshaltungen bei der Wasserversorgung im Außenbereich führen und sollte
daher gestrichen werden.

In der Gesetzesbegründung zu § 43 der Einfügung des Kriteriums unter Ziffer 1 "… oder
ihre Aufbereitung zu Trinkwasser mit unverhältnismäßig hohem Aufwand verbunden ist"
werden bezüglich der Trinkwasserbeschaffenheit zwei unbestimmte Begriffe, nämlich
"zeitgemäße Wasserversorgung der Bevölkerung" und "verträglicher Wert", eingeführt.
Dies ist nicht hinnehmbar: Wasser, welches den Anforderungen der TrinkwV genügt, ist
Trinkwasser und darf als solches in Verkehr gebracht werden. Kein Bürger hat einen
Rechtsanspruch auf die Versorgung mit Trinkwasser einer bestimmten individuell als
wünschenswert empfundener Beschaffenheit. Insofern dürfte die Begründung auch
nicht helfen, wenn ein Bürger bzw. ein verbandsklagebefugter Verein gegen die
Ablösung örtlicher Aufkommen durch Fernwasser klagen sollte, sofern diese Ablösung
ausschließlich wegen der Härte des vor Ort gewinnbaren Wassers vorgesehen bzw.
erfolgt ist.

In der Begründung zu Nummer 1 sollte Satz 3 gestrichen werden. Für das Beispiel von
Härte als Grund für den Vorrang von Fernwasser bei größeren Härtegraden gibt es
weder in der Trinkwasserverordnung noch im Wasserhaushaltgesetz noch im Thüringer
Wassergesetz eine sachliche Grundlage. Dieses Beispiel ist daher eine unzutreffende und
entbehrliche Gesetzesbegründung.

C: Abwasserbeseitigung
Die im VKU vertretenen Aufgabenträger stehen grundsätzlich zu Ihrer im § 47
geregelten Verpflichtung zur Abwasserbeseitigung. Jedoch werden die im Absatz 3 des
§ 47 ThürWG vorgesehenen Regelungen vollständig abgelehnt.

Dass die Aufgabenträger der Abwasserentsorgung öffentliche Kleinkläranlagen auf
privaten Grundstücken, in den Gebieten, in denen nach Abwasserbeseitigungskonzept
(ABK) die Entsorgung mittels Kleinkläranlagen vorgesehen ist, zu errichten und zu
betreiben haben, insofern der Grundstückseigentümer dem zustimmt, ist aus unserer
Sicht nicht sachgerecht und durchführbar.

Zur Begründung:
1. Schaffung neuer kommunaler Pflichtaufgaben
Bereits die Zuweisung neuartiger Pflichtaufgaben an die kommunalen Aufgabenträger
stellt einen Eingriff in die kommunale Selbstverwaltungshoheit dar. Wer solche
Pflichtaufgaben einführt, muss begründen, weshalb die privaten
Grundstückseigentümer nicht, wie bisher, in der Lage sein sollten, diese Aufgabe selbst
zu erfüllen. Zugleich müssen die Aufgabenträger mit der Zuweisung neuer Aufgaben
auch die finanziellen Mittel erhalten, um die Zusatzaufgabe abdecken zu können.

2. Erforderlichkeit von Grundbucheintragungen
Wenn ein Aufgabenträger auf Privatgrundstücken eine öffentliche Kleinkläranlage
betreiben soll und hierfür Investitionen tätigt, müssen diese Investitionen dinglich
abgesichert werden durch Eintragung von beschränkten persönlichen Dienstbarkeiten
im Grundbuch. Ob allerdings die Grundstückseigentümer bereit sein werden, eine solche
Belastung im Grundbuch eintragen zu lassen, erscheint fraglich.

3. Erforderlichkeit von Stromanschlüssen
Vollbiologische Kleinkläranlagen funktionieren nur, wenn sie eine Stromversorgung
besitzen. Nun kann allerdings ein Aufgabenträger sich nicht einfach an den
Stromanschluss des privaten Grundstückseigentümers anklemmen. Er wird daher im
Normalfall für die öffentliche Kleinkläranlage auf dem Privatgrundstück einen eigenen
Stromanschluss herstellen lassen. Dies ist mit erheblichen Kosten verbunden.

4. Fehlende Zertifizierung
Die Thüringer Kleinkläranlagenverordnung (ThürKKAVO) vom 26. März 2010 sieht in § 2
Abs. 4 vor, dass nur solche Fachbetriebe tätig werden dürfen, die über ein gültiges
Zertifikat der Deutschen Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall e. V.
nach dem Zertifizierungssystem zur Gütesicherung der Wartung von Kleinkläranlagen
verfügen. Die meisten Aufgabenträger verfügen über eine solche Zertifizierung nicht und
können deshalb nicht als „Fachbetrieb“ im Sinne der Kleinkläranlagenverordnung tätig
werden.

5. Einführung neuer Kommunalabgaben
Die Herstellung öffentlicher Kleinkläranlagen auf Privatgrundstücken erfordert
erhebliche Investitionen durch den zuständigen Aufgabenträger. Führt die öffentliche
Hand diese Investitionen aus, liegen die Preise erheblich höher als bei einer
Baumaßnahme in privater Trägerschaft (siehe z. B. oben: Herstellung zusätzlicher
Elektroanschlüsse). Derartige einmalige Investitionen und die laufenden Betriebskosten
kann der Aufgabenträger nicht aus allgemeinen Haushaltsmitteln refinanzieren, sondern
muss hierfür spezifische Entgelte erheben (vgl. § 54 Abs. 2 Nr. 1 ThürKO: Vorrang der
besonderen Entgelte vor allgemeinen Haushaltsmitteln).

Der allgemeine Abwasserbeitrag umfasst nicht die Investitionskosten für individuell
errichtete öffentliche Kleinkläranlagen auf Privatgrundstücken. Es müsste deshalb ein
besonderer Abwasserbeitrag eingeführt werden, den nur diejenigen
Grundstückseigentümer zu zahlen haben, die an eine öffentliche Kleinkläranlage
angeschlossen sind. Bereits dieser einmalige besondere Abwasserbeitrag wird zu einer
erheblichen finanziellen Belastung der Grundstückseigentümer führen.

Um die laufenden Betriebskosten der öffentlichen Kleinkläranlagen zu decken, wird der
Aufgabenträger zusätzlich eine spezielle Benutzungsgebühr einführen, die er ebenfalls
nur von denjenigen Grundstückseigentümern erhebt, die an die öffentlichen
Kleinkläranlagen auf Privatgrundstücken angeschlossen sind. Über diese besondere
Benutzungsgebühr werden sodann die Stromkosten und sonstigen Betriebskosten der
öffentlichen Kleinkläranlagen abgedeckt. Auf diese Weise wird es zu einer erheblichen
finanziellen Mehrbelastung der Grundstückseigentümer kommen, die nicht erforderlich
wäre, wenn die Kleinkläranlagen künftig wir bisher in privater Trägerschaft verbleiben
würden. Der Gesetzentwurf des neuen Thüringer Wassergesetzes hat die
kommunalabgabenrechtlichen Folgen und die damit verbundene erhebliche finanzielle
Mehrbelastung der Grundstückseigentümer nicht ausreichend bedacht.

Lösungsvorschlag:
Folgende, auf Basis der Beratungen vom 14. November 2017 mit Vertretern der
Aufgabenträgern aus allen Thüringer Regionen und dem Thüringer Ministerium für
Umwelt, Energie und Naturschutz u. a. vertreten durch den Staatssekretär, Herrn Olaf
Möller, erarbeiteten Änderungsvorschläge sollte in das Gesetz übernommen werden:

6. Erhöhung Fördervolumen
Die gemeinsame Zielstellung der Verbesserung der Gewässergüte durch die Erhöhung
des Anschlussgrades an kommunale Kläranlagen ist unter den aktuellen finanziellen
Rahmenbedingungen und unter Beachtung der steigenden spezifischen Aufwendungen
durch die Aufgabenträger nur schwer umsetzbar. Aktuell müssen gerade im ländlichen
Raum die sich in den letzten Jahren wesentlich verschlechterten Rahmenbedingungen
durch Fremdfinanzierung ausgeglichen werden. Das absolute Fördervolumen sank allein
in den letzten 10 Jahren von ca. 50 Mio. €/Jahr auf aktuell ca. 16 Mio. €/Jahr. Weiterhin
zu nennen sind hier noch der Förderausschluss im Rahmen der Dorferneuerung/
Städtebauförderung, der Wegfall der Förderung für Planungsleistungen und
für Regenwasserkanäle sowie die bereits mehrfach gesunkenen Fördersätze von
ehemals 80 auf 20 Prozent bei ausgewählten Maßnahmen (Anlage 1).
Darüber hinaus besteht für große Städte die Option, ihre Abwasserabgaben nahezu
vollständig mit eigenen Investitionen zu verrechnen. In den ländlichen Gebieten werden
aktuell ca. 20 € Abwasserabgabe je Einwohner bei Teilortskanalisationen und
Kleineinleitungen erhoben und abgeführt.

Zur Zielerreichung muss daher das Fördervolumen spürbar erhöht werden, um auch den
ländlichen Raum bedarfsgerecht abwasserseitig zu erschließen. Hier ergibt sich ein
zusätzlicher Finanzbedarf von 20 Mio. €/Jahr für einen Zeitraum bis zum Jahr 2030.
Unter diesen Bedingungen könnte auch die derzeit bestehende Lücke zwischen dem
aktuellen Anschlussgrad in Thüringen von ca. 80 Prozent und dem Anschlussgrad der
neuen Länder von ca. 90 Prozent geschlossen werden.

7. Förderung vollbiologische Kleinkläranlagen
Die Förderung für vollbiologische Kleinkläranlagen sollte von 1.500 € auf 3.000 €/Anlage
angehoben werden.

8. Siedlungsgebiete größer 200 Einwohner
Seitens der Aufgabenträger wird eine Grenze bei Siedlungsgebieten von 200 Einwohnern
(E), Stand 2035, als sinnvoll für eine öffentliche Abwasserentsorgung angesehen.
Siedlungsgebiete mit weniger als 200 E können, je nach den individuellen örtlichen
Bedingungen, sowohl mit privaten vollbiologischen Grundstückskleinkläranlagen als
auch mit semizentralen/zentralen Ortskläranlagen ausgestattet werden.

9. Siedlungsgebiete kleiner 200 Einwohner
In Siedlungsgebieten <200 E sollten auch die Aufgabenträger die pauschale
Kleinkläranlagenförderung je angeschlossenem Grundstück nach dem gleichen
Antragsverfahren bei der Thüringer Aufbaubank bekommen. Dies würde eine
Gleichbehandlung und ein deutlich vereinfachtes Verfahren bedeuten. Darüber hinaus
wäre es ein klares Signal dafür, dass auch die Herausforderungen des kleingliedrigen
ländlichen Raumes ernstgenommen werden (Solidarprinzip).

Bei Fragen zu unserer Stellungnahme können Sie sich an die Geschäftsstelle der VKU
Landesgruppe Thüringen wenden.