Überraschender Wiederstand gegen den Vorschlag der Kommission
EU-Kommission verschiebt Verabschiedung des delegierten Rechtsakts der EU-Taxonomie

Die Verabschiedung des delegierten Rechtsakts zur Taxonomie-Verordnung wurde aufgrund zahlreicher Kritik auf Mitte April 2021 verschoben. Im Zentrum der Debatte steht die Frage, welche Investitionen zukünftig als nachhaltig gelten dürfen. Während der Entwurf überarbeitet wird, entwickelt das einschlägige Expertengremium die Taxonomie weiter.

23.02.21

Noch vor zwei Monaten sah es so aus, als würde die Kommission ihren Zeitplan einhalten: Bis zum 18. Dezember konsultierte die Kommission zu ihrem Entwurf für einen delegierten Rechtsakt zur Taxonomie-Verordnung, welcher am 20. November veröffentlicht worden war. Dieser Rechtsakt soll die technischen Kriterien und Schwellenwerte für die Erfüllung der ersten beiden Umweltziele der Taxonomie, den Klimaschutz und die Anpassung an den Klimawandel, festlegen und bis Ende 2020 verabschiedet werden. In seinem Konsultationsbeitrag hat der VKU unter anderem Kritik an den Schwellenwerten für die Kraft-Wärme-Kopplung geäußert und sich im Bereich Wasser/Abwasser grundsätzlich gegen pauschale Grenzwerte auf EU-Ebene ausgesprochen, die den vor Ort vorherrschenden unterschiedlichen Rahmenbedingungen nicht Rechnung tragen. Darüber hinaus hat der VKU kritisiert, dass die thermische Abfallbehandlung von Siedlungsabfällen bislang nicht in die Taxonomie aufgenommen wurde. Neben der Rückmeldung des VKU gab es noch 46.590 weitere Rückmeldungen zur Konsultation, von denen einige die vorgeschlagenen Schwellenwerte der Kommission kritisierten. Obwohl ein großer Teil dieser Rückmeldungen auf organisierte Kampagnen zurückzuführen ist, verschob die Kommission die Verabschiedung des delegierten Rechtsakts von Ende Dezember 2020 auf voraussichtlich Mitte April 2021. Ein weiterer Grund für die Verschiebung ist vermutlich der Widerstand einer Gruppe ost- und südeuropäischer EU-Mitgliedsstaaten, welche in einem Schreiben an die Kommission ebenfalls Kritik an dem delegierten Rechtsakt übten.

Hintergrund

Die Taxonomie-Verordnung trat am 12. Juli 2020 in Kraft und legt die Kriterien fest, die entscheiden, ob Investitionen in eine Wirtschaftstätigkeit als nachhaltig gelten oder nicht. Diese europäisch normierte Einstufung als nachhaltige Investition soll langfristig als Standard im Finanzsektor fungieren, beispielweise bei grünen Unternehmensanleihen oder Bonds. Hierzu ist für das zweite Quartal 2021 ein entsprechender Gesetzesvorschlag angekündigt. Um die technischen Evaluierungskriterien für Nachhaltigkeit im Sinne der Verordnung festzulegen, ermächtigt sie die Kommission zum Erlass delegierter Rechtsakte. Um diese Kriterien zu entwickeln, hat die Kommission bereits im Juli 2018 eine technische Expertengruppe einberufen, welche 2020 ihren finalen Bericht zur Taxonomie veröffentlichte. In diesen Erarbeitungsprozess brachte der VKU mehrfach seine Position ein und kommentierte die Vorberichte der Expertengruppe. Basierend auf der Arbeit der Expertengruppe erarbeitete die Kommission den delegierten Rechtsakt, welcher nun in der Kritik steht.

Übergangstätigkeiten

Parallel zur Auswertung der Konsultation zum Entwurf des delegierten Rechtsakts hat die Kommission das einschlägige Expertengremium zur Taxonomie, die Plattform für ein nachhaltiges Finanzwesen, zum Thema „transition financing“ oder Übergangsfinanzierung, befragt. Bis Mitte März soll die Plattform erörtern, wie die Finanzierung von Übergangsaktivitäten im Sinne der Taxonomie sichergestellt werden und wie die Taxonomie dies unterstützen könnte. Über den europäischen Dachverband SGI Europe, welcher einen Beobachtersitz in der Plattform hat, konnte der VKU seine Position in die Arbeit der Plattform einbringen. Bis zum 31. Dezember 2021 ist die Plattform für ein nachhaltiges Finanzwesen zudem mit der Prüfung einer möglichen Ausweitung der Taxonomie auf soziale Ziele und auf Tätigkeiten, die ökologische Nachhaltigkeit nicht fördern oder erheblich beeinträchtigen, beauftragt. Zu beiden Themen gibt es dezidierte Arbeitsgruppen innerhalb der Plattform, die bis Mitte des Jahres ihre Berichte vorlegen wollen.

Ausblick

Was die Vollendung der Taxonomie angeht, so soll der delegierte Rechtsakt zu den anderen vier Umweltzielen bis Ende 2021 beschlossen werden, um seine Anwendung ab dem 01. Januar 2023 zu gewährleisten. Zudem verpflichtet die Taxonomie die Kommission, bis zum 01. Juli 2021 einen delegierten Rechtsakt zu nichtfinanziellen Berichtspflichten von Unternehmen zu erlassen. Dieser befindet sich in Ausarbeitung durch die Kommission.
Zudem hat die Kommission am 12. Februar 2021 technische Leitlinien für die Verwendung der Mittel des Corona-Wiederaufbaufonds veröffentlicht. Diese binden die Nutzung der Finanzmittel durch die EU-Mitgliedsstaaten an die Einhaltung der Kriterien zur Vermeidung einer „erheblichen Beeinträchtigung“ der Umweltziele der Taxonomie-Verordnung. Der VKU begleitet die weitere Arbeit an der Taxonomie, ihrer delegierten Rechtsakte und verwandter Gesetzesinitiativen weiterhin eng.