Die Kunststoffrichtlinie wurde im Juni 2019 im Amtsblatt der EU veröffentlicht und sieht neben der finanziellen Herstellerverantwortung die Beschränkung des Inverkehrbringens bestimmter Einwegkunststoffprodukte vor. Da die meisten Maßnahmen bis zum Juli 2021 umzusetzen bzw. in Kraft zu setzen sind, hat das BMU als ersten Schritt nun den Referentenentwurf zu Einwegkunststoffverbotsverordnung veröffentlicht.
Ziel der EU-Kunststoffrichtlinie ist es, die Auswirkungen bestimmter Kunststoffprodukte auf die Umwelt, insbesondere die Meeresumwelt, und die menschliche Gesundheit zu vermeiden und zu vermindern. Um dieses Ziel zu erreichen sollen nicht nur die Hersteller von To-Go-Verpackungen und Tabakprodukten in die finanzielle Verantwortung genommen werden. Vielmehr sollen auch bestimmte Einwegkunststoffartikel sowie Artikel aus oxo-abbaubarem Kunststoff nicht mehr in Verkehr gebrachte werden dürfen.
Der konkrete Anwendungsbereich der jeweiligen Regelungen und die Definitionen der wesentlichen Begriffe der Richtlinie sind in einigen Aspekten jedoch noch klärungsbedürftig. Rechtsklarheit könnten die Leitlinien der EU-Kommission schaffen, die im Sommer diesen Jahres veröffentlicht werden sollen. Zwar entfalten die Leitlinien keine Bindungswirkung für die Mitgliedstaaten, sie sind als Hilfestellung für den nationalen Umsetzungsprozess jedoch richtungsweisend. Da der Kunststoffbegriff der Richtlinie maßgeblich auf die Differenzierung zwischen natürlichen und chemisch modifizierten Polymeren Bezug nimmt, ist die Begriffsdefinition sehr technisch und chemisch ausgestaltet. Im Hinblick auf die Anwendung der Definition in der Praxis, prüft die Kommission, ob zusätzlich eine Positiv/Negativliste veröffentlicht werden sollte, die ohne rechtsverbindlichen Charakter beispielhaft aufzählt welche Polymere als chemisch modifiziert gelten und damit dem Anwendungsbereich der Richtlinie unterfallen. Auch die Differenzierung zwischen Einweg- und Mehrwegprodukten aus Kunststoff gestaltet sich im Einzelfall schwierig. Bei der Abgrenzung könnte u.a. auf die Lebensspanne, die Nachfüllbarkeit, die Anzahl der Portionen, die Größe und auf das Volumen der Verpackungen abgestellt werden.
Eine klare Definition des Kunststoffbegriffs und klare Unterscheidungskriterien für Einweg- oder Mehrwegprodukte sind auch für die im Referentenentwurf vorliegende Verbotsverordnung über das Inverkehrbringen von bestimmten Einwegkunststoffprodukten und von Produkten aus oxo-abbaubarem Kunststoff von erheblicher Bedeutung. Die Verordnung dient der Umsetzung von Art. 5 der Kunststoffrichtlinie und normiert, dass Einwegkunststoffprodukte wie bspw. Wattestäbchen, Besteck, Teller, Trinkhalme und Lebensmittelverpackungen aus expandiertem Polystyrol ab dem 03.07.2021 nicht mehr in Verkehr gebracht werden dürfen. Hintergrund dieser Beschränkung ist, dass für die aufgezählten Einwegkunststoffprodukte bereits geeignete, nachhaltigere und preisgünstige Alternativen aus andere Materialien als Kunststoff auf dem Markt vorhanden sind und nur ein Verbot die Verwendung dieser Alternativen fördert. Der in der Verordnung definierte Kunststoffbegriff ist den EU-rechtlichen Regelungen folgend weit gefasst und nimmt Werkstoffe aus, die aus nicht chemisch modifizierten natürlichen Polymeren bestehen. Von der Begrifflichkeit sollen unter Beachtung des Erwägungsgrundes 11 der Kunststoffrichtlinie auch biobasierte und biologisch abbaubare Kunststoffe erfasst sein. Bei der Abgrenzung zwischen Einweg- und Mehrwegprodukten, die ganz oder teilweise auf Kunststoff bestehen, soll es zentral darauf ankommen, dass das Produkt während seiner Lebensdauer mehrere Produktkreisläufe durchläuft, indem es zur Wiederbefüllung oder Wiederverwendung zu dem ursprünglichen Verwendungszweck an einen Hersteller zurückgegeben wird.
Sowohl beim Kunststoffbegriff als auch bei der Unterscheidung zwischen Einweg und Mehrweg ist zu beachten, dass die Definitionen nicht zu einer allzu engen Auslegung der Begrifflichkeiten führen sollten. Andernfalls sind Verlagerungseffekte auf andere Produkte zu befürchten, die wie Einwegkunststoffprodukte im öffentlichen Raum ungeordnet entsorgt werden, den selben kommunalen Reinigungsaufwand verursachen und einen ebenso schädlichen Einfluss auf die Umwelt und die menschliche Gesundheit haben können.